Sexualität & Aufklärung
19. Apr. 2024
·
6 Minuten Lesezeit

Doktorspiele: Was Eltern dazu wissen sollten

Geschrieben von:
Elternseite Team
Elternseite Team
Artikelinfo:

Für viele Eltern und Pädagog:innen ist es ein großer Schreck, wenn sie mitbekommen, dass Kinder sich gegenseitig an den Geschlechtsteilen berühren. Wie Sie als Eltern oder Pädagog:innen damit umgehen können, lesen Sie hier.

Ihr Kind erzählt Ihnen, dass es im Kindergarten von einem anderen Kind im Intimbereich berührt wurde? Oder, Sie merken „zu spät“, dass sich zwei Kinder in der Kuschelecke nackig ausgezogen haben?

 

Für viele Eltern und pädagogische Fachkräfte stellen solche Situationen im ersten Moment einen großen Schreck dar.

 

Die psychosexuelle Entwicklung von Kindern beginnt früher als erwartet. Deswegen ist es gut, sich zu informieren und, wenn möglich, im Vorfeld schon Gedanken darüber zu machen, wie man in solchen Situationen reagieren kann. Wissen rund um die psychosexuelle Entwicklung und Doktorspiele kann entlastend wirken, wenn es darauf ankommt.

Doktorspiele wird als Sammelbegriff für Spiele verwendet, bei denen Kinder gegenseitig ihren Körper untersuchen und erkunden. Dabei steht die Neugier im Vordergrund. Die Spiele haben in den aller meisten Fällen nichts mit sexueller Befriedigung zu tun.

Doktorspiele kommen häufig vor und stellen bei 3-5-Jährigen ein typisches Verhalten dar. Diese Phase gehört zur psychosexuellen Entwicklung von Kindern oftmals dazu. Kinder interessieren sich verstärkt für den eigenen Körper und werden auch auf das andere Geschlecht neugierig. Sie beginnen, den eigenen Körper und die anderer und des anderen Geschlechts zu erforschen. Dabei geht es den Kindern um das eigene Körperempfinden.

 

Es stellt eine pädagogische Aufgabe sowohl für Pädagoginnen und Pädagogen als auch für Eltern dar, Kindern Regeln für einen angemessenen gemeinsamen Umgang zu vermitteln – auch unabhängig von Doktorspielen. Es fördert sie stark in ihrer Entwicklung, wenn sie lernen, ihre eigenen Grenzen zu vertreten und die anderer respektieren zu lernen.

Worauf ist bei Doktorspielen wichtig zu achten?

  • Doktorspiele sollten einvernehmlich stattfinden und jede:r bestimmt selbst, mit wem er auf Entdeckungsreise gehen will und mit wem nicht.

  • Keiner tut dem anderen weh und es wird einander nur so untersucht und berührt, wie es für sie oder ihn angenehm ist.

  • Es wird nichts in Öffnungen (Vulva, Po, Penis, Mund, Nase, Ohr) gesteckt.

  • Der Altersunterschied zwischen den Kindern sollte nicht zu groß sein, da eines dem anderen schnell überlegen sein könnte. Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben in Doktorspielen nichts verloren.

Wie kann man auf Doktorspiele reagieren?

Grundsätzlich ist auch bei diesem Thema eine altersgerechte sexuelle Aufklärung extrem wichtig. Hierfür eignen sich Beispielsweise Bücher mit Bildern und Namen für alle Körperteile inklusive Genitalien sehr gut. Eine gute sexuelle Aufklärung hilft Kindern, Übergriffe zu erkennen und auch anzusprechen.

 

Pädagogische Fachkräfte und Eltern sollten sich über sexuelles Interesse von Kindern austauschen. Wenn möglich, bevor es zu Doktorspielen kommt. Am besten ist es, wenn im Vorhinein aufgeklärt wird, was unproblematisch ist und worauf geachtet werden sollte. So können auch Eltern das Verhalten besser einordnen und eigene Reaktionen einschätzen. Aufklärung hilft, vielen Situationen mit mehr Gelassenheit begegnen zu können und Missverständnisse zu vermeiden.

Hilfreich ist es, wenn bei Kindern der Forscherdrang unterstützt wird, indem man sich aktiv nach Fragen erkundigt. Fragen wie etwa „Weißt du, wie dieses Körperteil heißt?“ oder „Hast du Fragen zu deinem Körper oder den Körper von anderen?“ können ein Gespräch anstoßen. Wichtig ist es allerdings, seinen Nachwuchs nicht zu überfordern. Um dies zu vermeiden, kann die sogenannte „Häppchenmethode“ angewandt werden. Dabei reagiert man auf die Signale und Anliegen der Kinder und geht nur soweit, wie es für das Kind gerade passt. Es sieht so aus, dass offen, ehrlich, kurz und prägnant auf die jeweilige Frage eingegangen wird, bis keine weitere Frage mehr kommt. Somit kann das Kind steuern, was es gerade an Informationen braucht und wann es gerade genug zu verarbeiten hat. Signalisieren Sie in weiterer Folge Offenheit für weitere Fragen, die sich vielleicht auch erst später auftun.

 

Ganz wichtig ist es, wenn Sie erfahren oder Ihr Kind Ihnen erzählt, dass es im Intimbereich berührt wurde oder ihm sogar etwas eingeführt wurde, die Ruhe zu bewahren. Fragen Sie Ihr Kind ohne Druck, was es genau meint und lassen Sie sich die Situation schildern. Bohren Sie nicht zu sehr nach, weil das Kind schnell das Gefühl bekommen kann, etwas Falsches gemacht zu haben. Außerdem stören Sie dabei die Erinnerungsfähigkeit des Kindes und es kommt dann öfters vor, dass sich die Geschichte anfängt zu verändern und Sie dann nicht mehr wissen können, was wirklich vorgefallen ist. Loben Sie Ihr Kind auch dafür, Ihnen das erzählt zu haben. Falls doch Warnzeichen auftreten sollten, ist es wichtig, in Ruhe die Situation zu analysieren. Sprechen Sie mit dem Kindergarten, was vorgefallen ist. Bleiben Sie freundlich und erklären Sie, dass es Ihnen wichtig ist darüber zu sprechen, weil Sie verunsichert sind.

 

Wenn Sie das Gefühl bekommen, dass es Ihrem Kind beim Doktorspiel nicht gut geht, fragen Sie nach und beenden die Situation behutsam mit einer Erklärung.

Mädchen im Kindergartenalter versteckt sich in Spielhaus

IST DAS MISSBRAUCH?

Abgesehen von den bereits genannten Punkten, kann man bei Doktorspielen nicht von Missbrauch reden, da ein Missbrauch Planung voraussetzt, wozu Kinder im Kindergartenalter nicht fähig sind. Doktorspiele entwickeln sich meist aus dem spontanen Spielen heraus. Das ist auch okay so. Übergriffe – ein Überschreiten von Grenzen - kommen bei Kindern in vielfältiger Form vor. Wenn Entdeckungen in einem Doktorspiel zu weit gehen, kann von einem Übergriff die Rede sein. Als sexuell übergriffig wäre das Verhalten eines Kindes dann zu bewerten, wenn wiederholt, massiv und/oder gezielt die persönlichen Grenzen anderer verletzt werden. Fällt Ihnen auf, dass ein Kind so handelt, kann es, muss es aber nicht, ein Hinweis auf eigene sexuelle Gewalterfahrungen sein. Es gibt jedoch oftmals andere Ursachen, die ebenfalls ein näheres Hinsehen erfordern, wie beispielsweise Kontakt mit Pornographie, emotionale Vernachlässigung oder sonstige Gewalterfahrungen, wie auch Mobbing.

Es gibt Verhaltensmerkmale von Kindern, die Rahmenbedingungen in Doktorspielen schaffen, die nicht mehr sicher sind und auf die reagiert werden sollten. Hellhörig sollten Sie werden, wenn ein Kind eine vergleichsweise stark sexualisierte oder sexistische Sprache hat, andere an den Genitalien verletzt, andere versucht, zu Doktorspielen zu überreden und ihnen bei Erfolg ein Geheimnisgebot auflegt, über Handlungen spricht oder inszeniert, die der Erwachsenensexualität entsprechen, und in Doktorspielen mit wesentlich älteren oder jüngeren Kindern verwickelt ist.

 

Problematisch wird es vor allem dann, wenn ein Kind starken Druck ausübt, indem es beispielsweise mit Freundschaftsabbruch droht, das Spielen nicht wechselseitig ist und fremde oder uninteressierte Kinder eingebunden werden. In solchen Fällen ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und bestimmt einzugreifen.

 

Als Pädagogin  oder Pädagoge sprechen Sie mit dem Kind. Fragen Sie wertfrei nach, woher es solche Worte/Handlungen kennt. Lassen Sie sich auch gerne von einer Fachstelle unterstützen, wenn Sie merken, dass Sie an Ihre Grenzen kommen. Gegebenenfalls ist es auch wichtig, mit den Eltern zu sprechen. Besonders in solchen Fällen ist es wichtig, darauf zu achten, das Kind nicht zu kriminalisieren, da die Eltern sonst schnell in eine defensive Haltung fallen könnten. Es ist selbstverständlich, dass sich um die betroffenen Kinder gekümmert werden muss. Genauso wichtig ist es, das sexuell übergriffige Kind darin zu unterstützen, Grenzen wahrzunehmen und passende Interventionen anzubieten.

haben sie noch fragen?

Unsere Expert:innen sind für Sie da und nehmen sich Zeit für Ihre individuelle Situation. Vereinbaren Sie jetzt gleich einen Gesprächstermin über unseren Online-Kalender. 

Unsere neuesten Artikel

Krisen & psych. Auffälligkeiten

Autismus-Spektrum-Störung: was Eltern dazu wissen sollten

Jeder (autistische) Mensch ist einzigartig. Da es sich um ein großes Spektrum handelt, ist es gar nicht so einfach zu erkennen, was mit der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gemeint ist. Lesen Sie in diesem Artikel, welche Gemeinsamkeiten es innerhalb dieses Spektrums gibt und wie man Kinder und Jugendliche mit ASS unterstützen kann.

Erziehung

Nachgefragt: Nora Imlau zum Thema "Grenzen setzen"

Warum brauchen Kinder Grenzen? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt uns in diesem Interview Nora Imlau, Bestseller-Autorin mehrerer Erziehungsratgeber zum Thema bindungsorientierte Erziehung.

Schule & Lernen

Hausübung ohne Stress und Ärger

Hausübungen sind oft eine Herausforderung für Kinder und Eltern. Vom Gespräch mit der Lehrkraft über die passende Unterstützung des Kindes: Wir haben Tipps, was Eltern tun können, um die Situation zu verbessern.

Erziehung

Gefahr durch Fremde am Schulweg

Dass Kinder ihren Schulweg alleine bewältigen, ist wichtig und sinnvoll. Doch wie kann man den Nachwuchs vor möglichen Gefahrensituationen schützen?

Schule & Lernen

Mit diesen Tipps zum Schulstart gehen Kinder entspannt ins neue Schuljahr

Neun lange Wochen Sommerferien: Natürlich ist es nicht so leicht, sich nach dieser Pause wieder auf die Schule umzustellen. Ein wenig Planung vorab kann helfen, damit der Schulanfang entspannter verläuft. In diesem Artikel geht es darum, wie Sie mit Ihrem Kind oder Ihren Kindern nach den Sommerferien wieder gut ins neue Schuljahr starten können.

Schule & Lernen

So gelingt der Start ins Schulleben

Der erste Schultag im Leben eines Kindes ist ein besonderer Moment. Die Einschulung kann unterschiedliche Gefühle hervorrufen. Freude, Neugier, Aufregung, aber auch Angst. Wie Sie als Eltern Ihr Kind darauf vorbereiten, können Sie hier nachlesen.

Erziehung

Hilfe, mein Kind hat Heimweh!

Ihr Kind wird mit der Schule auf Projekttage oder Sportwoche fahren oder in ein Ferienlager? Womöglich zum ersten Mal? Es ist normal, dass das bei Kindern Heimweh auslösen können. Wie können Eltern ihr Kind auf den Aufenthalt weg von zuhause vorbereiten? Und was kann man tun, um Heimweh vorzubeugen? In diesem Artikel können Sie unsere Tipps für Eltern nachlesen.

Erziehung

Mein Kind will alleine verreisen

Was, wenn der Nachwuchs alleine in den Urlaub fahren möchte? Welche Gesetze gelten, worauf sollte man achten? Antworten finden Sie hier.

Erziehung

5 Tipps für einen erholsamen Familienurlaub mit Teenagern, die Eltern kennen sollten

In der Pubertät wollen Jugendliche zunehmend unabhängig sein.  Unsere 5 besten Tipps wie das gemeinsame Verreisen in den Urlaub gelingen kann, lesen Sie hier. 

Krisen & psych. Auffälligkeiten

Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Wie zeigen sich Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen? Und welche Ursachen stecken dahinter? Wie Eltern gut reagieren können, wenn sie vermuten, dass ihr Kind an Zwangsstörungen leidet.

Erziehung

Wie können Eltern Grenzen setzen?

Streit und Machtkämpfe stehen in Ihrer Familie an der Tagesordnung? In diesem Artikel wollen wir die Möglichkeit beleuchten, mit solchen Problemen umzugehen, indem Grenzen, Freiräume und Konsequenzen mit einer liebevollen und gleichzeitig bestimmten Haltung ausgehandelt werden.

Eltern sein

Regretting Motherhood – wenn Mütter bereuen

Haben Sie schon von "Regretting motherhood“, auf Deutsch „bereuende Mutterschaft“, gehört? Erfahren Sie hier mehr und lesen Einblicke und Gedankenanstöße.

Sexualität & Aufklärung

Erste Beziehung: Mein Kind will beim Freund:in übernachten

Die Frage, beim Freund oder der Freundin übernachten zu wollen, kommt in den meisten Fällen gefühlsmäßig früher als später. Wie Sie mit dieser Situation umgehen können, erfahren Sie hier.

Schule & Lernen

5 Fragen an die... Culture School

Die Culture School Schulklassenbegleitung behandelt Themen wie interkulturelle Vielfalt, Toleranz, Vorurteile und fördert damit die Klassengemeinschaft. Teilnehmende Schulklassen werden ein ganzes Semester begleitet.

Krisen & psych. Auffälligkeiten

Suizidgedanken bei Jugendlichen – wie reagieren?

Wie können Eltern mit der Verzweiflung der eigenen Kinder umgehen? Wie reagiert man, wenn Kinder Suizidgedanken äußern?
Schule & Lernen

"Ich werde YouTuber:in"

Immer mehr Jugendliche wollen selbst Videos herstellen und auf YouTube veröffentlichen. Eltern können dabei helfen, realistische Vorstellungen zu bekommen.

Krisen & psych. Auffälligkeiten

Depressionen bei Kindern und Jugendlichen: was Eltern tun können

Was sind Anzeichen für eine Depression bei Kindern und Jugendlichen? Und welche Ursachen stecken dahinter? Wie Eltern gut reagieren können, wenn sie vermuten, dass ihr Kind an einer Depression leidet.

Schule & Lernen

Wenn das Halbjahrs-Zeugnis schlecht ausfällt

Was tun, wenn die Schulnachricht, das Zeugnis im Halbjahr, schlecht ausfällt und Ihr Kind sogar einen oder mehrere Fünfer hat? Wir helfen mit Tipps weiter.

Erziehung

Vom Umgang mit Wutanfällen

Als Elternteil ist man im Familienleben oft mit Wut und Ärger der eigenen Kinder konfrontiert. Der Umgang mit den starken Emotionen kann schwierig und herausfordernd sein.

Erziehung

Geschwister: Liebe und Rivalität

Was Geschwisterbeziehungen besonders macht, wie man Rivalität unter Geschwistern nicht noch zusätzlich schürt und vieles mehr rund um das Thema Bruder und/oder Schwester.