Doktorspiele: Was Eltern dazu wissen sollten
Ihr Kind erzählt Ihnen, dass es im Kindergarten von einem anderen Kind im Intimbereich berührt wurde? Oder, Sie merken „zu spät“, dass sich zwei Kinder in der Kuschelecke nackig ausgezogen haben?
Für viele Eltern und pädagogische Fachkräfte stellen solche Situationen im ersten Moment einen großen Schreck dar.
Die psychosexuelle Entwicklung von Kindern beginnt früher als erwartet. Deswegen ist es gut, sich zu informieren und, wenn möglich, im Vorfeld schon Gedanken darüber zu machen, wie man in solchen Situationen reagieren kann. Wissen rund um die psychosexuelle Entwicklung und Doktorspiele kann entlastend wirken, wenn es darauf ankommt.
Doktorspiele kommen häufig vor und stellen bei 3-5-Jährigen ein typisches Verhalten dar. Diese Phase gehört zur psychosexuellen Entwicklung von Kindern oftmals dazu. Kinder interessieren sich verstärkt für den eigenen Körper und werden auch auf das andere Geschlecht neugierig. Sie beginnen, den eigenen Körper und die anderer und des anderen Geschlechts zu erforschen. Dabei geht es den Kindern um das eigene Körperempfinden.
Es stellt eine pädagogische Aufgabe sowohl für Pädagoginnen und Pädagogen als auch für Eltern dar, Kindern Regeln für einen angemessenen gemeinsamen Umgang zu vermitteln – auch unabhängig von Doktorspielen. Es fördert sie stark in ihrer Entwicklung, wenn sie lernen, ihre eigenen Grenzen zu vertreten und die anderer respektieren zu lernen.
Worauf ist bei Doktorspielen wichtig zu achten?
Doktorspiele sollten einvernehmlich stattfinden und jede:r bestimmt selbst, mit wem er auf Entdeckungsreise gehen will und mit wem nicht.
Keiner tut dem anderen weh und es wird einander nur so untersucht und berührt, wie es für sie oder ihn angenehm ist.
Es wird nichts in Öffnungen (Vulva, Po, Penis, Mund, Nase, Ohr) gesteckt.
Der Altersunterschied zwischen den Kindern sollte nicht zu groß sein, da eines dem anderen schnell überlegen sein könnte. Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben in Doktorspielen nichts verloren.
Wie kann man auf Doktorspiele reagieren?
Grundsätzlich ist auch bei diesem Thema eine altersgerechte sexuelle Aufklärung extrem wichtig. Hierfür eignen sich Beispielsweise Bücher mit Bildern und Namen für alle Körperteile inklusive Genitalien sehr gut. Eine gute sexuelle Aufklärung hilft Kindern, Übergriffe zu erkennen und auch anzusprechen.
Pädagogische Fachkräfte und Eltern sollten sich über sexuelles Interesse von Kindern austauschen. Wenn möglich, bevor es zu Doktorspielen kommt. Am besten ist es, wenn im Vorhinein aufgeklärt wird, was unproblematisch ist und worauf geachtet werden sollte. So können auch Eltern das Verhalten besser einordnen und eigene Reaktionen einschätzen. Aufklärung hilft, vielen Situationen mit mehr Gelassenheit begegnen zu können und Missverständnisse zu vermeiden.
Hilfreich ist es, wenn bei Kindern der Forscherdrang unterstützt wird, indem man sich aktiv nach Fragen erkundigt. Fragen wie etwa „Weißt du, wie dieses Körperteil heißt?“ oder „Hast du Fragen zu deinem Körper oder den Körper von anderen?“ können ein Gespräch anstoßen. Wichtig ist es allerdings, seinen Nachwuchs nicht zu überfordern. Um dies zu vermeiden, kann die sogenannte „Häppchenmethode“ angewandt werden. Dabei reagiert man auf die Signale und Anliegen der Kinder und geht nur soweit, wie es für das Kind gerade passt. Es sieht so aus, dass offen, ehrlich, kurz und prägnant auf die jeweilige Frage eingegangen wird, bis keine weitere Frage mehr kommt. Somit kann das Kind steuern, was es gerade an Informationen braucht und wann es gerade genug zu verarbeiten hat. Signalisieren Sie in weiterer Folge Offenheit für weitere Fragen, die sich vielleicht auch erst später auftun.
Ganz wichtig ist es, wenn Sie erfahren oder Ihr Kind Ihnen erzählt, dass es im Intimbereich berührt wurde oder ihm sogar etwas eingeführt wurde, die Ruhe zu bewahren. Fragen Sie Ihr Kind ohne Druck, was es genau meint und lassen Sie sich die Situation schildern. Bohren Sie nicht zu sehr nach, weil das Kind schnell das Gefühl bekommen kann, etwas Falsches gemacht zu haben. Außerdem stören Sie dabei die Erinnerungsfähigkeit des Kindes und es kommt dann öfters vor, dass sich die Geschichte anfängt zu verändern und Sie dann nicht mehr wissen können, was wirklich vorgefallen ist. Loben Sie Ihr Kind auch dafür, Ihnen das erzählt zu haben. Falls doch Warnzeichen auftreten sollten, ist es wichtig, in Ruhe die Situation zu analysieren. Sprechen Sie mit dem Kindergarten, was vorgefallen ist. Bleiben Sie freundlich und erklären Sie, dass es Ihnen wichtig ist darüber zu sprechen, weil Sie verunsichert sind.
Wenn Sie das Gefühl bekommen, dass es Ihrem Kind beim Doktorspiel nicht gut geht, fragen Sie nach und beenden die Situation behutsam mit einer Erklärung.
IST DAS MISSBRAUCH?
Abgesehen von den bereits genannten Punkten, kann man bei Doktorspielen nicht von Missbrauch reden, da ein Missbrauch Planung voraussetzt, wozu Kinder im Kindergartenalter nicht fähig sind. Doktorspiele entwickeln sich meist aus dem spontanen Spielen heraus. Das ist auch okay so. Übergriffe – ein Überschreiten von Grenzen - kommen bei Kindern in vielfältiger Form vor. Wenn Entdeckungen in einem Doktorspiel zu weit gehen, kann von einem Übergriff die Rede sein. Als sexuell übergriffig wäre das Verhalten eines Kindes dann zu bewerten, wenn wiederholt, massiv und/oder gezielt die persönlichen Grenzen anderer verletzt werden. Fällt Ihnen auf, dass ein Kind so handelt, kann es, muss es aber nicht, ein Hinweis auf eigene sexuelle Gewalterfahrungen sein. Es gibt jedoch oftmals andere Ursachen, die ebenfalls ein näheres Hinsehen erfordern, wie beispielsweise Kontakt mit Pornographie, emotionale Vernachlässigung oder sonstige Gewalterfahrungen, wie auch Mobbing.
Es gibt Verhaltensmerkmale von Kindern, die Rahmenbedingungen in Doktorspielen schaffen, die nicht mehr sicher sind und auf die reagiert werden sollten. Hellhörig sollten Sie werden, wenn ein Kind eine vergleichsweise stark sexualisierte oder sexistische Sprache hat, andere an den Genitalien verletzt, andere versucht, zu Doktorspielen zu überreden und ihnen bei Erfolg ein Geheimnisgebot auflegt, über Handlungen spricht oder inszeniert, die der Erwachsenensexualität entsprechen, und in Doktorspielen mit wesentlich älteren oder jüngeren Kindern verwickelt ist.
Problematisch wird es vor allem dann, wenn ein Kind starken Druck ausübt, indem es beispielsweise mit Freundschaftsabbruch droht, das Spielen nicht wechselseitig ist und fremde oder uninteressierte Kinder eingebunden werden. In solchen Fällen ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und bestimmt einzugreifen.
Als Pädagogin oder Pädagoge sprechen Sie mit dem Kind. Fragen Sie wertfrei nach, woher es solche Worte/Handlungen kennt. Lassen Sie sich auch gerne von einer Fachstelle unterstützen, wenn Sie merken, dass Sie an Ihre Grenzen kommen. Gegebenenfalls ist es auch wichtig, mit den Eltern zu sprechen. Besonders in solchen Fällen ist es wichtig, darauf zu achten, das Kind nicht zu kriminalisieren, da die Eltern sonst schnell in eine defensive Haltung fallen könnten. Es ist selbstverständlich, dass sich um die betroffenen Kinder gekümmert werden muss. Genauso wichtig ist es, das sexuell übergriffige Kind darin zu unterstützen, Grenzen wahrzunehmen und passende Interventionen anzubieten.
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