Erziehung
24. Apr. 2025
·
6 Minuten Lesezeit

Gewaltprävention und was Kampfsport dazu beitragen kann

Geschrieben von:
Martin Trappel
Martin Trappel
Irene Zavarsky
Irene Zavarsky
Artikelinfo:

Kampfsport birgt das Potenzial, eine sehr wirkungsvolle Methode in der Gewaltprävention zu sein. Das Training kann helfen, Aggressionskompetenz zu lernen und eine informierte Gefahreneinschätzung zu treffen.

Kampfsport wird manchmal mit roher Gewalt und Aggressionsexzessen gleichgesetzt. Es kann Eltern verunsichern, wenn Kinder oder Jugendliche beginnen, sich  für Kampfsport oder Kampfkunst zu interessieren.

In unserer Gesellschaft gibt es viele Formen von Gewalt und Aggression, ein erlernter bewusster Umgang damit kann hilfreich sein. 

Für Kampfsport ist Vertrauen zum Gegenüber unerlässlich. Schließlich ist es ein Kontaktsport mit Verletzungsrisiko. Um unbesorgt trainieren zu können, muss ich mich auf meine Trainingspartner:innen verlassen können.  Ich lasse mich nur auf das Training ein, wenn ich weiß, dass mein Gegenüber mich und meine Grenzen respektiert. In einem guten Gym wird genau darauf geachtet, dass diese Grenzen eingehalten werden.

Kinder auf einer Matte beim Kampfsport

kontakt-lust

In unserer Gesellschaft gibt es nicht viele Räume, wo Menschen in einem sicheren Umfeld ihre körperliche Kraft miteinander messen und vergleichen können. Buben und Männer eventuell noch beim Team- und Kontaktsport, Frauen und Mädchen wählen tendenziell Sportarten, die weniger Kontakt erfordern. Im Kampfsport ist es wichtig zu lernen, dass körperliche Kraft nur in dem Maß eingesetzt werden kann, wie es für meinen Trainingspartner oder meine Trainingspartnerin auch in Ordnung ist. Es geht um Respekt, um gegenseitiges aufeinander aufpassen und um Grenzen wahrnehmen und vermitteln. Gemeinsames lernen ist nur möglich, wenn beide Seiten ihre Technik ausprobieren können. Wenn eine Seite immer mit Kraft drüber geht, dann lernen beide nichts. Das zu erkennen und zu begreifen, ist ein wichtiger Trainingsaspekt. 

 

Menschen, die gewalttätig sind, haben sich oft durch die eigene Lebensgeschichte dahingehend entwickelt. Diese Entwicklung kann durch neue Erfahrungen, wie mit physischer Kraft, Aggression und Kontaktlust anders, nämlich respektvoll, umgegangen werden kann in neue, gewaltpräventive Umgangsformen gelenkt werden. Gleichzeitig kann erfahren werden, dass Grenzüberschreitungen nicht toleriert werden müssen, sondern eigene Grenzen wirkmächtig kommuniziert werden können und respektiert werden. Eine Erfahrung, die sich auch in  unserer Gesellschaft widerspiegeln sollte. 

regeln, grenzen und verletzungen:

Dieses Vertrauen muss manchmal, nach erlittenen Grenzüberschreitungen (im „echten“ Leben) Schritt für Schritt wieder wachsen. Wichtige Aspekte wie, sich selbst "zuzumuten" und körperliche Nähe sowie gemeinsame Bewegung außerhalb des intimen Kontextes (wie Familie oder Beziehung) zu erleben, kann helfen, Selbst- und Fremdvertrauen zu entwickeln. Gleichzeitig wird ein Unterschied erlebt zwischen einem spielerischen Wettkampf, wie er im Kampfsport üblich ist, und Selbstverteidigungssituationen, die keine Regeln haben und chaotisch sein können.

 

In einer Selbstverteidigungssituation geht es nicht um Respekt und Miteinander – da ist es klüger, wegzulaufen, auszuweichen und Konfrontationen zu vermeiden und eine gewaltsame Begegnung oder Beziehung zu beenden. Es ist entscheidend, zu lernen, auf welche Auseinandersetzungen man sich überhaupt einlassen sollte und eine bessere Gefahreneinschätzung zu entwickeln. Das hat nichts mit Raum-aufgeben oder verlieren zu tun, sondern einfach mit einem gesunden Sicherheitsbewusstsein. Ich muss keinen Raum behaupten, oder verteidigen, der mir in dem Moment schaden kann.

unterscheidung:

kampfkunst

Kampfchoreographien, vereinbarte Partner:innendrills, oftmals mit fernöstlichen Wurzel, Philosophien und Werten. 

kampfsport

Sportart mit definierten Techniken, Regeln, Wettkampfmöglichkeit und Gewichtsklassen.

Selbstverteidigung

Chaotische, unfaire, oft überraschende Situation, aus der man so schnell und so unbeschadet wie möglich entkommen möchte. 

selbstvertrauen und wertschätzung

Ob das bloße Training und die regelmäßige Übung, sowie das Wissen um die eigene Wehrhaftigkeit und Kraft ausreichen, um Prügeleien und Übergriffe zu verhindern, muss unbeantwortet bleiben. Ein überraschender, unfairer Angriff kann jede und jeden treffen. Allerdings halten Täter und Täterinnen oft nach Opfern Ausschau. Wer im ersten Eindruck nicht wie ein Opfer wirkt, hat bestimmt einen Vorteil. Auf den Einzelfall ankommend, sind zusätzliche Ansätze notwendig, um eine volle gewaltpräventive Kraft des Kampfsports zu entfalten.

Achten Sie auf die Wahl des richtigen Gyms: Ein Umfeld, das Werte wie Respekt, Achtsamkeit und gegenseitige Wertschätzung betont, fördert nicht nur die sportliche Leistung, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung.

Gewaltprävention im Kampfsport wird möglich, wenn das Training auf einer soliden Grundlage von Vertrauen und Respekt basiert. In einem gut geführten Gym lernen die Teilnehmer:innen, ihre eigene Kraft bewusst und kontrolliert einzusetzen. Sie entwickeln ein stärkeres Selbstbewusstsein, indem sie ihre Fähigkeiten und Grenzen kennen und kommunizieren. Die positive Erfahrung körperlicher Auseinandersetzungen stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstachtung. So kann Kampfsport nicht nur die körperliche Fitness verbessern, sondern auch dabei helfen, Gewalt zu vermeiden und Konflikte konstruktiv zu lösen.

  • Bei der Wahl des Trainingsortes ist es gut, nach dem Bauchgefühl und der Intuition zu gehen.
  • Jeder erste Schritt in ein neues Umfeld ist aufregend und ein bisschen furchteinflößend, das ist ganz normal.
  • Die Frage ist: Fühle ich mich im zweiten Schritt dort wohl?  Habe ich das Gefühl, ich werde respektiert? Werden meine Grenzen geachtet? Kann ich dort in einer guten wohltuenden Atmosphäre lernen?
  • Wenn ja, dann steht der Lernreise nichts mehr im Weg.