Hilfe, mein Kind ist in der Pubertät
Die Pubertät findet bei Mädchen im Alter von etwa zehn bis 18 Jahren statt, bei Buben etwa zwischen zwölf und 21 Jahren. Äußerliche Startpunkte sind die erste Monatsblutung beziehungsweise der Stimmbruch, aber in dieser Zeit passiert noch viel mehr. Klar, dass die Pubertät also nicht unbemerkt vorbeigehen kann.
Zeitumstellung
In der Pubertät organisiert sich das zeitliche Orientierungsvermögen im Gehirn neu. Melatonin wird in der Wachstumsphase täglich bis zu zwei Stunden verspätet ausgeschüttet. Jugendliche sind daher später müde, oft erst ab 24 Uhr, und davor sehr aktiv. Weil das Melatonin auch verzögert abgebaut wird, werden sie erst später am Morgen munter.
Achtung, Umbauarbeiten
Das Gehirn reift noch bis in die mittleren und späten 20er. Am spätesten ist dabei der präfrontale Kortex (Stirnhirn) ausgereift, der u.a. für Handlungsplanung, Priorisierung, Impulskontrolle und Vernunft zuständig ist. Daher sollte man für Jugendliche ein bisschen Verständnis aufbringen, wenn sie manchmal unkontrolliert handeln oder nicht an die Konsequenzen ihres Handelns zu denken scheinen. Übrigens: Auch die Fähigkeit bzw. die Geschwindigkeit, mit der Heranwachsende Gefühle von Mitmenschen erkennen, reduziert sich. Somit kann es sein, dass der Ärger oder die Sorge der Eltern in dieser Zeit schwerer als solche begreiflich sind.
Impulsiv und spontan
Auch der sprichwörtliche jugendliche Leichtsinn hängt mit der Gehirnentwicklung zusammen. Denn der Nucleus accumbens, der das Streben nach Belohnung mitsteuert, ist bei Pubertierenden viel träger als bei Erwachsenen und Kindern. Jugendliche brauchen oft mehr Nervenkitzel, um einen Kick zu verspüren und finden es auch im Alltag schwer, etwas schön zu finden. Oder auch, Gefahren und Konsequenzen abzuschätzen.
Was bedeutet das für den Alltag mit pubertierendem Nachwuchs?
Realistisch gesehen ist es einfacher, Ihre Einstellung zu ändern als Ihr Kind. Wir möchten Ihnen ein paar Tipps mitgeben, wie Sie einen kühlen Kopf bewahren, auch wenn die Belastung hoch ist.
#1 Verständnis hilft
Ihre Tochter oder Ihr Sohn steckt gerade sehr viel Energie in die „Umbauarbeiten“ vom Kind zum Erwachsenen. Machen Sie sich das immer wieder bewusst. Es erleichtert, mit Stimmungsschwankungen und dem Veränderungsprozess umzugehen. Versuchen Sie auch, an die eigene Pubertät zu denken: Erinnern Sie sich noch, dass Sie diese Zeit als schwierig erlebt haben?
#2 Negative Erfahrungen gehören dazu
Selbstständigkeit muss man lernen. Als Eltern müssen Sie aushalten, dass manches danebengeht. Ihr Kind braucht einerseits klare Regeln, aber zunehmend auch Freiräume zum Experimentieren. Sie können Ihr Kind nicht vor allem beschützen, aber durch Ihr Vertrauen stärken.
#3 Eigene Grenzen erkennen
Streit gehört dazu, aber ebenso wahrzunehmen, wann eine Auszeit notwendig ist. Versuchen Sie, heikle Situationen zu erkennen, bevor die Dinge eskalieren. Oft hilft es dann, sich gegenseitig ein wenig Raum zu geben, um Dampf abzulassen. Vielleicht kann auch der oder die Partner:in oder eine andere Bezugsperson einspringen?
#4 Trauer zulassen
Als Eltern sind Sie für den Nachwuchs plötzlich uncool? Oder Sie fragen sich, wer dieses manchmal unerträgliche Wesen eigentlich ist, dass Sie da großgezogen haben? Solche Gefühle gehören zum Ablöseprozess dazu. Es ist in Ordnung, dass Sie das als Mutter oder Vater auch traurig macht. Es heißt aber nicht, dass Eltern etwas falsch gemacht haben oder Kinder sich negativ entwickeln.
#5 Austausch
Eltern mit Teenagern haben es nicht leicht. Das ist eine normale Erfahrung. Es wirkt entlastend, wenn man damit nicht alleine bleibt, sondern sich mit anderen austauscht. Vielleicht gibt es andere Eltern mit jugendlichen Kindern, mit denen Sie sprechen können. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Sie unsere Beratung in Anspruch nehmen – individuell, vertraulich, online.
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