Was Resilienz ist und wie sie durch die Corona-Zeit hilft
Viele Eltern machen sich Sorgen, welche langfristigen Auswirkungen die Corona-Pandemie auf ihre Kinder hat. Kinder und Jugendliche mussten in den vergangenen zwei Jahren vieles aushalten:
Ausgangsbeschränkungen. Kontaktverbote, so dass Freunde und Freundinnen und andere nahestehende Bezugspersonen wie die Großeltern lange Zeiten nicht in der Realität gesehen werden konnten. Geschlossene Schulen und Kindergärten, und damit verpasste soziale Interaktionen mit anderen Kindern und Bezugspersonen, die wichtig für die Entwicklung sind. Sicherheitsvorkehrungen, nach denen wir Abstand zu anderen Menschen, die wir mögen, halten müssen. Masken, die unsere Mimik verdecken und uns Gesichtsausdrücke schlechter deuten lassen und Situationen deshalb schwerer einschätzbar machen.
Dazu die Ungewissheit, wie lange wir noch in dieser Situation leben müssen und was als nächstes kommt.
Die Folgen dieser andauernden Belastung auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen merken wir leider bereits vielfach. Einen starken Anstieg gibt es auch bei Problemen in der Schule, vom Leistungsabfall über die Angst, den Anschluss zu verlieren bis hin zu Schulangst oder Schulverweigerung.
Nun stellt sich die Frage: Was bedeutet das für die Zukunft unserer Kinder, wenn sie in dieser Situation aufwachsen?
Natürlich können wir nicht genau wissen, wie sich die Coronazeit auf unsere Kinder auswirkt. Es gibt jedoch viel Forschung dazu, was Schutzfaktoren für Kinder sind. Hier wurde untersucht, warum manche Kinder schwierige Situationen erleben, wie Armut, Scheidung, Verlust des Arbeitsplatzes, psychische Krankheiten und Drogenmissbrauch und trotzdem gut im Leben zurechtkommen.
Diese Widerstandskraft wird als Resilienz bezeichnet. Man konnte vier wichtige Aspekte herausfinden, die beeinflussen, wie gut ein Kind schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen überstehen kann.

Die biologisch verankerten Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale eines Kindes können dafür sorgen, dass Kinder viele positive Erfahrungen machen und in manche schwierigen Situationen gar nicht erst hineingeraten.
Das Temperament des Kindes macht hier besonders viel aus: Kinder mit einer unbeschwerten, geselligen Veranlagung passen sich leichter an Veränderungen an und andere Menschen reagieren positiver auf sie. Auch intellektuelle Fähigkeiten sind ein Schutzfaktor. Sie vergrößern die Chancen, dass ein Kind in der Schule positive Erfahrungen erlebt, die Stress zu Hause in den Hintergrund rücken lassen.

Eine enge Beziehung zu mindestens einem Elternteil, der dem Kind emotionale Zuwendung entgegenbringt und hilft Ordnung und Orientierung in das Leben des Kindes zu bringen, ist ein weiterer Schutzfaktor. Er ist nicht unabhängig vom ersten Faktor. Pflegeleichte Kinder erleben eher positive Beziehungen zu Eltern und anderen Menschen und können dadurch eher Eigenschaften entwickeln, die für andere Menschen anziehend sind.

Es kann die Großmutter, der Opa, ein Lehrer oder ein enger Freund sein: Ein lieber Mensch außerhalb der Familie, zu dem sich eine stabile, unterstützende enge Bindung entwickelt, kann viel zur Resilienz beitragen. Auch dahingehend, dass das Kind durch die Vorbildfunktion effektive Bewältigungsstrategien erlernt.

Die Möglichkeit, sich am Gemeinschaftsleben zu beteiligen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ältere Kinder und Jugendliche die Widrigkeiten des Lebens besser überstehen. Teil von Jugendgruppen, Arbeitsgemeinschaften oder freiwilligen Aktivitäten zu sein, vermittelt wichtige soziale Kompetenzen wie Kooperation, Führungskompetenz und auf das Wohlergehen Anderer zu achten. Das Kind gewinnt auf diesem Weg Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Verantwortungsgefühl für den Nächsten.
Was kann man aus dem Konzept der Resilienz für die Coronakrise folgern?
Das wichtigste ist: Eine stabile, unterstützende Beziehung zu Ihrem Kind bietet den größten Schutz, um durch diese schwierige Zeit möglichst gut hindurch zu kommen. Wenn Sie Pate, Oma, Onkel oder eine andere Bezugsperson für Kinder sind, helfen Sie, indem Sie ein/e Ansprechpartner*in für das Kind sind, mit ihm in Kontakt stehen, zuhören und unterstützen. Bei älteren Kindern sollten Sie den Kontakt zu den Freund*innen unterstützen. Wie kann dieser möglichst gut gehalten werden? Kann man online Computerspiele spielen, sich im Freien treffen usw.
Versuchen Sie achtsam, ehrlich und altersgerecht mit Ihren Kindern über die Belastungen durch Corona zu sprechen. Wenn Kinder nur diffus spüren, dass etwas nicht stimmt, führt das oft zu Ängsten und Unsicherheiten. Wichtig ist hier auch, immer wieder gut zu erklären, warum es pandemiebedingt bestimmte Regeln gibt und warum manche Regeln inzwischen wieder aufgehoben wurden. Vielleicht können Sie Ihr Kind auch fragen, wie es das Ganze erlebt, ob Fragen hat oder sich bereits gut auskennt. Jedes Kind empfindet anders und es ist wichtig, individuell darauf einzugehen.
Prinzipiell wissen wir noch immer nicht genau, wie es weitergeht und ob diese Krise doch bald zu Ende geht. Daher können wir nur einen Schritt nach dem anderen machen und versuchen, die aufkommenden Themen eines nach dem anderen anzugehen und dann zu überlegen, wie wir damit gut umgehen können. Schwierige Situationen gehören zum Leben dazu. Auch wenn man es noch so gerne möchte, kann man seine Kinder nicht vor allem beschützen. Man kann Ihnen jedoch beistehen und helfen, dass sie die Herausforderungen gut meistern und sich gemeinsam dafür entscheiden, Vertrauen zu haben. Wenn Sie merken, dass Ihnen die Situation zu viel wird, was bei einer anhaltenden Belastung wie dieser nicht ungewöhnlich ist: Zögern Sie nicht und holen Sie sich Unterstützung.
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Wenn Sie sich zusätzliche Unterstützung holen möchten, stehen wir Ihnen gerne auch mit individueller Beratung zur Seite.
Dieser Artikel wurde auf Basis der folgenden Literatur erstellt:
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