Wenn sich Eltern trennen... mit Kindern im Volksschulalter
Was sind die Bedürfnisse von 6- bis 10-jährigen Kindern?
Kinder lieben ihre Eltern und brauchen die Unterstützung und Zuwendung von beiden. Eine Trennung ist für Kinder immer belastend und schmerzhaft. Wie gut es einem Kind gelingt, die neue Familiensituation anzunehmen, hängt davon ab, wieviel Verständnis, Aufmerksamkeit und Unterstützung es bekommt.
Kein Kind nimmt die Veränderung des familiären Zusammenlebens so hin, als ob nichts wäre. Die Reaktionen soll man auf keinen Fall unterdrücken oder bekämpfen. Sie dienen dazu, die aus dem Lot geratene Balance wieder herzustellen. So können die Kinder der Situation aktiv begegnen, und sind ihr nicht ohnmächtig ausgeliefert.
Wie eine Trennung erlebt wird, kann nicht verallgemeinert werden. Aber auch wenn jedes Paar und jedes Kind die Trennung anders erlebt, gibt es doch alterstypische Reaktionen.
Rationales Denken und Verstehen entwickelt sich
Mit dem Eintritt ins Schulalter entwickelt sich auch zunehmend das logische Denken beim Kind. Die Phantasie spielt beim Erklären von Sachverhalten zwar noch immer eine Rolle, doch es kann zunehmend auch anerkennen, dass Dinge passieren, die nichts mit ihm zu tun haben. Es ist nicht mehr nur auf sein eigenes Befinden konzentriert. Es öffnet sich auch Argumenten und Erklärungen von außen. Das Denken wird zunehmend rationaler. Die Trennung der Eltern wird nun nicht mehr primär als Folge des eigenen Handelns erlebt, wie es in früheren Altersstufen meistens der Fall ist.
Der Begriff Zeit wird fassbar
Da sich auch das kindliche Zeitgefühl in Bezug auf die Zukunft entwickelt, können Kinder in diesem Alter erstmals erfassen, welche Veränderungen die Trennung der Eltern auf ihr zukünftiges Leben haben wird. Sie haben auch schon die Fähigkeit entwickelt, sich gedanklich in andere Menschen einzufühlen und können so deren Absichten besser verstehen.
Ich liebe euch beide
Da die Kinder in ihrem Wollen und Handeln beiden Elternteilen gerecht werden wollen, geraten sie immer wieder in Konflikte mit sich selbst. Sie wollen beide und sie wollen es beiden recht machen. Und sie wollen auch von beiden weiterhin geliebt werden. Eine Entscheidung für den einen Elternteil kann sich automatisch wie eine Entscheidung gegen den anderen anfühlen. Im Vordergrund steht also der Loyalitätskonflikt. Vor allem, wenn Eltern nicht gut auf einander zu sprechen sind. Loyalität wird hier verstanden als Zugehörigkeit zu Vater und Mutter. Im Elternstreit wird das Kind zerrissen in seinem Bestreben, sich beiden Elternteilen gegenüber zugehörig zu fühlen.
Das Kind möchte die Eltern auch wieder zusammen bringen, es verbalisiert dies auch. Manchmal kommt es zu einer Schuldzuweisung an einen Elternteil. Die Trennung wird als Folge bestimmter Handlungen verstanden („Mama und Papa haben gestritten, darum ist der Papa ausgezogen“). Eine Trennung führt oft zu stark anhaltender Traurigkeit. Die Kinder sind sich ihres Kummers voll bewusst. Hier ist entscheidend, dass sie Ausdrucksmöglichkeiten und offene Ohren für ihren Kummer finden.
Sie haben zudem Angst, auch vom anderen Elternteil verlassen zu werden und Sehnsucht nach dem nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil.
Kinder in dieser Altersstufe reagieren mit:
Verlassenheitsängsten, verstärkter Abhängigkeit von erwachsenen Bezugspersonen.
Traurigkeit, Wut.
Selbstanschuldigungen, da es auch in diesem Alter noch nach den Gründen sucht, warum seine Eltern sich trennen.
Veränderungen im Ess- und Schlafverhalten.
Rückfall in frühere Entwicklungsstufen (wollen im Bett bei Mutter/Vater schlafen, …).
Sozialem und/oder emotionalem Rückzug.
Verschlechterung von Schulleistungen.
Kinder in diesem Alter brauchen:
Kindgemäße und behutsame Erklärungen, warum man sich trennt. Die Vermittlung von Fakten steht im Vordergrund. Verzicht auf Rechtfertigungen.
Möglichkeiten und Bedingungen, eine gute Bindung zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten.
Häufigen Kontakt zum nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil, wobei die Vorstellungen der Kinder in die Kontaktregelungen miteinbezogen werden sollen.
Die sichere Zuneigung beider Elternteile sowie Aufmerksamkeit und verstärkten Trost, um Verlustängsten entgegenzuwirken.
Eine aktive Entlastung im Loyalitätskonflikt! (z.B. nicht schlecht über den oder die Expartner:in reden und Kontakte fördern)
Ein möglichst stabiles Umfeld, d.h. Veränderungen sollten – wenn möglich – vermieden werden. Gewohnte Rituale sollen weitergeführt werden.
Die Möglichkeit, ihre Gefühle (Wut, Angst, Trauer, …) auszudrücken!
Geduld ihrer Eltern und die Botschaft, dass sie verstanden und so geliebt werden, wie sie im Moment gerade sind.
Austausch mit anderen Kindern.
Eltern sollten das Gespräch mit Lehrpersonen suchen (diese nehmen verändertes Verhalten ihrer Schüler:innen wahr und können leichter damit umgehen, wenn sie den Hintergrund kennen).
War dieser Artikel hilfreich?
Die Rat auf Draht Elternseite ist auf Ihre Spende angewiesen. Wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit unterstützen möchten. Vielen Dank!