Baby & Kleinkind
03. Feb. 2022
·
6 Minuten Lesezeit

Fütterstörungen bei Babys und Kleinkindern

Geschrieben von:
Elternseite Team
Elternseite Team
Corinna Harles
Corinna Harles
Artikelinfo:

Essen ist ein menschliches Grundbedürfnis, das dem Überleben dient, aber auch schon von Beginn des Lebens an mit vielen Gefühlen verbunden ist. Essen kann auch ein Weg sein, wie Kinder Probleme und Belastungen ausdrücken.

Der Säugling unterscheidet anfangs nicht zwischen dem Bedürfnis nach Zuwendung und nach Essen. Beim Stillen bzw. dem Füttern mit der Flasche werden einerseits körperliche Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Wärme erfüllt.

 

Andererseits werden emotionale Bedürfnisse erfüllt, wie mit dem Kind zu sprechen, es zu beruhigen, auf die Gefühle einzugehen und dafür zu sorgen, dass es sich sicher fühlt. 

Erst später können das Gefühl, satt zu sein und genug Zuwendung und Nähe zu haben, voneinander getrennt werden. Wenn die Eltern dem Baby unterschiedliche Angebote machen, lernt es wahrzunehmen, wann es Hunger hat und Essen möchte und wann es eigentlich etwas anderes braucht, wie zB Körperkontakt oder Schlaf. Die Eltern lernen ihr Kind im Laufe der Zeit besser kennen. Dadurch verstehen sie immer mehr, was das Baby durch sein Verhalten sagen möchte (wann es z. B. müde ist, wann es nicht spielen möchte oder wann es Schmerzen hat). Sie können auf verschiedene Verhaltensweisen mit dem jeweils passenden Angeboten reagieren und ihr Kind immer besser beruhigen.


Dennoch kann es auch weiterhin vorkommen, dass Kinder Probleme und Belastungen über das Essen ausdrücken.

Geduldige Mutter mit Baby beim Essen

Hinweise auf eine Fütterstörung

Es ist völlig normal, dass kleine Kinder Phasen haben, in denen sie sich schwer tun beim Essen. Das kann sich so zeigen, dass das Baby oder Kleinkind nicht essen möchte oder dabei sehr wählerisch ist. An sich stellt dies keinen Grund zur Sorge dar, denn gesunde Kinder haben ein natürliches Gefühl für Hunger, wann sie satt sind und was ihr Körper gerade braucht.

 

 

Problematisches Essverhalten

 

Manchmal kann es jedoch zu einer Essstörung kommen. Bei Säuglingen und Kleinkindern werden diese Fütterungs- bzw. Fütterstörung genannt. Wichtiges Kennzeichen dafür ist, dass es über einen längeren Zeitraum Schwierigkeiten beim Füttern gibt. Das ist sowohl für das Kind als auch für die Eltern sehr belastend

 

Es gibt mehrere Anhaltspunkte für eine Essstörung im Säuglings- und Kleinkindalter:   

  • Das Füttern des Kindes ist mehrmals am Tag schwierig (wenn dieses Problem mindestens einen Monat lang auftritt).

  • Die Zeit zwischen denen man das Kind füttert ist kurz bzw. nimmt das Füttern viel Zeit in Anspruch, obwohl das Kind nicht viel isst (wenn dieses Problem mindestens einen Monat lang auftritt).

  • Das Kind kann über einen längeren Zeitraum nicht mehr ausreichend mit Energie und Nährstoffen versorgt werden. Dies bemerkt man besonders daran, dass sich das Kind nicht mehr in einem gesunden Gewichtsbereich befindet.

Formen von Fütter- und Essstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter 

Essstörungen bei uglingen zeigen sich durch Erbrechen, das lange anhält, und wiederholtes Hinaufwürgen von Flüssigkeit oder Nahrung. Ebenso können Neugeborene unter- oder überernährt sein oder es bestehen Schwierigkeiten beim Stillen. Bei häufigem oder starken Erbrechen sollten Sie unbedingt zum Kinderarzt gehen, um zu starken Flüssigkeitsverlust zu vermeiden.

 

Im frühen Kindesalter kann es zu verschiedenen Formen von Fütterstörungen kommen.  

Regulations-Fütterstörung: Manchen Säuglingen fällt es schwer, ihre körperlichen Bedürfnisse und Gefühle zu regulieren, d.h. sie sind oft unausgeglichen. Dadurch können Schwierigkeiten beim Füttern entstehen, weil das Kind z.B. leicht ablenkbar oder unruhig ist oder viel weint. Das Kind kann aber auch zu schläfrig sein, um ausreichend gefüttert zu werden.

 

Sensorische Nahrungsverweigerung: Kinder reagieren sehr sensibel auf bestimmte Geschmäcker oder die Farbe oder Form der Nahrung (flüssig, breiig oder fest).

Fütterstörung assoziiert mit Insulten des gastrointestinalen Traktes: Manchmal haben Kinder schmerzhafte Erfahrungen im Gesicht, Mund oder Rachen in ihrer frühen Kindheit gemacht und wollen aufgrund dieser Erfahrungen nicht essen. Beispielsweise, wenn das Kind mittels Sonde ernährt wurde oder eine Operation in diesem Bereich hatte.

Schwierigkeiten beim Füttern aufgrund von körperlichen Erkrankungen: Auch aufgrund von anderen körperlichen Erkrankungen kann es Problemen beim Füttern geben. Das Füttern kann dann mit Schmerzen verbunden sein.

Frühkindliche Anorexie: Kinder essen wenig, zeigen kaum Hunger und haben insgesamt wenig Interesse am Essen. Sonst sind die Kinder jedoch aktiv und interessiert. Die betroffenen Kinder zeigen Probleme bei der Gewichtszunahme und beim Wachsen.


Fütterstörung der reziproken Interaktion: Manchmal gibt es Schwierigkeiten beim Füttern, weil Eltern und Kind nicht genug miteinander in Beziehung sind. Die Kinder zeigen während dem Füttern wenig Reaktionen auf die Bezugsperson (z.B. suchen wenig Blickkontakt zu der Bezugsperson oder reagieren wenig mit Lauten auf die Bezugsperson). Auch bei der Bezugsperson zeigt sich, dass es ihr aufgrund von verschiedenen Umständen schwerfällt, die Signale des Kindes richtig zu verstehen und darauf zu reagieren.

Pica Syndrom: Dabei werden Dinge gegessen, die eigentlich nicht zum Essen da sind, wie Sand, Erde etc. Auch kleine Kinder nehmen Gegenstände in den Mund, um sie zu erkunden. Der Unterschied beim Pica Syndrom ist allerdings, dass die Dinge gezielt gegessen werden. Deshalb sollte die Diagnose erst ab einem Alter von zwei Jahren gestellt werden.

Folgen von problematischem Essverhalten

Probleme beim Essen können einerseits körperliche Folgen haben: Dabei nehmen die Kinder nicht mehr an Gewicht zu oder sie nehmen ab.

 

Andererseits wirken sich die Probleme beim Essen stark auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind aus: Durch die Schwierigkeiten beim Essen geraten Eltern schnell unter Druck. Der Alltag dreht sich stark um das Essen und es werden viele Arten ausprobiert, damit das Kind doch etwas isst: wie gezieltes Überreden zum Essen bis hin zu Essenszwang, Ablenkungen oder Verkürzung der Essenszeiten. Diesen Druck spüren die Kinder, was das Problem häufig verstärkt und ein Teufelskreis entsteht.
Auch wenn das gerade schwerfällt, weil Sie sehr in Sorge sind: Versuchen Sie Ruhe zu bewahren und Machtkämpfe und Zwang zu vermeiden.

wo
findet man 

hilfe?

Wenn Sie den Verdacht haben, dass ihr Kind an einer Fütterstörung bzw. Essstörung leidet, holen sie sich frühzeitige Hilfe. Dies ermöglicht es, für Entlastung zu sorgen und trägt dazu bei, die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind positiv zu beeinflussen.

In einem ersten Schritt können sie sich an die/den Kinderärztin oder Kinderarzt wenden. Dort kann das Problem genauer eingeordnet und eventuelle körperliche Ursachen ausgeschlossen werden. Außerdem können gegebenenfalls weitere Schritte zur Abklärung und Therapie eingeleitet werden.

Wenn eine Therapie notwendig sein sollte, besteht diese meistens aus einer Kombination aus mehreren Behandlungsansätzen wie medizinische Kontrollen, Ernährungsberatung, Logopädie oder Ergotherapie. Zudem gibt es psychologische bzw. therapeutische Unterstützung. Dabei geht es einerseits darum, herauszufinden, was die Schwierigkeit beim Füttern ist und wie man konkret am besten unterstützen kann (Durch Filmen der Situation, entlastende Elternberatung).

Erste Hilfsangebote:

Wien:

 

Frühe Hilfen
Stubenring 6, 1010 Wien

Tel 01/ 532 15 15 153

 

Baby-care-Ambulanz 
Ambulanz für Ernährungs-, Still-, Schrei- und Schlafproblematik in den ersten Lebensjahren
Kaiser-Franz-Josef-Spital mit Gottfried von Preyer'schem Kinderspital
Kundratstraße 3, 1100 Wien
Telefon: 01 601 91 2680
www.wienkav.at

 

Psychosomatische Ambulanz für Säuglinge, Kinder- und Jugendliche
Klinik Ottakring
Montleartstraße 37, 1160 Wien
Telefon: 01 491 50 2912
www.wienkav.at

 

Nanaya, Zentrum für Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Kindern
Eltern-Kind-Zentrum und Familienberatungsstelle
Kostenlose Einzelberatung für Ernährungs-, Still-, Schrei- und Schlafproblematiken in den ersten beiden Lebensjahren
Zollergasse 37, 1070 Wien
Telefon: 01 523 17 11

 

Salzburg:

 

Universitätsklinikum Salzburg

Ambulanz für Schrei-, Schlaf- und Fütterungsprobleme

 

 

Vorarlberg:

 
AKS (Beratung ist an mehreren Standorten möglich wie Lustenau, Dornbirn, Bürs, Feldkirch und Bregenz)

Telefon: 05574 202 0

 

 

Tirol:

 

Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter
Psychologische Säuglings- und Kleinkindberatung
Anichstraße 35, 6020 Innsbruck

Telefon: 0512 504 23483 (Notfallambulanz Kinderklinik)
Telefon: 0512 504 28364 (Psychologische Säuglings- und Kleinkindsprechstunde)

www.tirol-kliniken.at

online Video-beratung

Melden Sie sich bei uns, wenn Sie Unterstützung brauchen: Wir helfen gerne weiter und wissen auch, wo Sie zusätzlich Hilfe bekommen können.

diese artikel könnten sie auch interessieren:

Baby & Kleinkind

Häufige Fragen und Antworten zur Ernährung bei Kleinkindern

Was, wenn sich mein Kind sehr einseitig ernährt? Sollen Kinder alles probieren? Mein Kind isst sehr wenig. Darf man Kinder zum Aufessen drängen? Gemeinsam mit der Ernährungswissenschaftlerin Mag. Melanie Bruckmüller von Richtig essen von Anfang an! beantworten wir häufige Fragen, die Eltern zum Essverhalten ihrer Kinder haben. 

Erziehung

Emotionales Essen bei Kindern

Wenn man bei unangenehmen Gefühlen zu Nahrung greift, um diese Gefühle mit Nahrung zu beruhigen, spricht man von emotionalem Essen. Ein guter Umgang mit Gefühlen ist ein Schutzfaktor, um problematischem Essverhalten und der Entstehung einer Essstörung frühzeitig entgegen zu wirken.

 

Krisen & psych. Auffälligkeiten

Essstörungen - erkennen und darüber sprechen

Der Verdacht, das eigene Kind könnte an einer Essstörung leiden, ist für Eltern meist sehr belastend. In diesem Artikel informieren wir über die Hauptformen von Essstörungen, Magersucht (Anorexia), Bulimie, die Binge Eating Störung und Orthorexie (Orthorexia nervosa). Welche Wanrzeichen gibt es und wie können Eltern reagieren, wenn ihr Kind möglicherweise betroffen ist?