Vom Paar zur Familie
Die Geburt eines Kindes ist für viele Menschen ein sehr wichtiger Meilenstein im Leben. Dennoch ist es schwierig, sich auf alles vorzubereiten oder sich vorab all der Veränderungen bewusst zu sein, die mit dem ersten Kind einhergehen. Dieser Artikel soll einige Erfahrungswerte zusammenfassen, um frischgebackene Eltern auf diesen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten.
Vorab ist festzuhalten, dass die Veränderungen sehr unterschiedlich ausfallen können. Sie können sowohl positiver, negativer als auch neutraler Natur sein. Tatsache ist, dass sich die Lebensrealität durch das erste Kind wesentlich verändert. Im Folgenden werden die Veränderungen beschrieben, die erfahrungsgemäß auftreten.
Dabei ist wichtig zu beachten, dass Familien individuell und sehr unterschiedlich sind, und doch durchlaufen sie oft ähnliche Phasen. Modelle der Familienentwicklung (zum Beispiel von Duvall) beschreiben diese Phasen und die Herausforderungen, die in der jeweiligen Phase bewältigt werden müssen.
Was ist eine Familie?
Unter Familie verstehen wir mehrere Personen aus mindestens zwei Generationen die einander nahe sind und füreinander sorgen – das können alle möglichen Kombinationen von Erwachsenen und Kindern sein. Es gibt Alleinerziehende-Familien, Patchwork-Familien, Pflegefamilien, Regenbogenfamilien, Queer-Familien, Bi- und multikulturelle Familien, Wohngemeinschafts-Familien, Polyamore Familien oder Erziehungs-Partnerschafts-Familien.
Anpassung an die Elternschaft
Der Übergang vom kinderlosen Paar zum Elternpaar bringt zahlreiche Veränderungen mit sich. Es gibt Menschen, die sich sofort in ihrer Elternrolle einfinden. Fühlen Sie sich wie in die Elternrolle hineingeboren, dann ist das großartig! Vielleicht gehören Sie jedoch eher zu den Menschen, die sich erst an die Rolle als Mutter oder Vater gewöhnen müssen. Auch das ist normal und total in Ordnung.
Tatsächlich brauchen die meisten Menschen etwas Zeit, um sich in einer neuen Lebensphase wohlzufühlen und etwas Übung, um damit zurechtzukommen.
völlig
neue
Lebensumstände
welche großen Veränderungen sind am Beginn der Elternschaft herausfordernd?

Viele Eltern beschreiben, dass sie mit dem ersten Kind eine „Achillessehne“ bekommen. Davor fühlte man sich vielleicht ein Stück weit unverletzbar, nun gibt es aber etwas außerhalb von einem selbst, das extrem wichtig ist und für das man Verantwortung trägt. Das kann anfangs sehr überfordernd aber auch sehr sinnstiftend sein.
Viele beschreiben auch eine neue Dimension der Liebe zu erfahren. Manche Eltern haben das Gefühl, für ihr Kind zu leben. Sie behalten seine Bedürfnisse stets im Hinterkopf und stellen diese häufig vor die eigenen, zum Beispiel, wenn sie im Restaurant etwas für sich selbst und ihr Kind bestellen und dabei vor allem danach gehen, was dem Kind schmecken könnte.
Auch die Beziehung zu den eigenen Eltern verändert sich. Plötzlich betrachtet man bestimmte Dinge aus einer neuen Perspektive, oder die Beziehung wandelt sich durch die Unterstützung oder die Belastung, die man durch die neuen Großeltern erfährt.
Wieder selbst Kind sein dürfen, ganz offiziell mit Lego zu spielen oder Sandburgen zu bauen, ist eine Veränderung, die viel Freude bereiten kann.
Auf individueller Ebene kann es bei Frauen zu Stimmungsschwankungen kommen, beispielsweise zu einer Zunahme von Ängstlichkeit oder depressiven Verstimmungen. Dieser emotionale Zustand ist jedoch meist nur vorübergehend. Fühlen sich Mütter sehr stark belastet, kann sich eine postpartale Depression („Wochenbettdepression") entwickeln.

Der Tagesablauf ändert sich, ebenso Privatsphäre, Freizeit und Erwerbstätigkeit. Häufig führt die Geburt des ersten Kindes zu einer traditionellen Rollenverteilung.
Das bedeutet, dass Paare die bisher eine eher moderne Partnerschaft geführt haben, nun zu sehr traditionellen Rollenmustern zurückkehren. Praktisch heißt das die Übernahme von Hausarbeit und Kinderpflege durch die Frau. Zudem wird mehr Zeit zu Hause verbracht und vormals individuelle Freizeit und Privatsphäre wird zur Familienzeit.

Nach der Phase des „baby-honeymoon" kommt es zu einer Abnahme der Zufriedenheit mit dem oder der Partner:in. Teilweise nimmt die Zufriedenheit mit der Partnerschaft erst in der Phase der nachelterlichen Gefährtenschaft wieder zu.
Allerdings ist das stark abhängig davon, wie zufrieden die Partner:innen vor der Elternschaft miteinander waren. Das Kommen und Gehen von Kindern hat große Auswirkungen auf die Partnerschaft und stellt jeweils oft die „Tiefpunkte" der Partnerschaftszufriedenheit dar.
Eine weitere mögliche Veränderung, auf die man sich einstellen kann, ist im Bereich der Sexualität.
So kann es, vor allem in der Schwangerschaft und den ersten Lebensmonaten des Kindes, in Ihrer Partnerschaft zu einem eingeschränkten und wahrscheinlich auch veränderten Sexualleben kommen. Dies kann sich auch durchs Leben fortsetzen. Hier ist es wichtig, miteinander zu reden und herauszufinden, welche Bedürfnisse da sind und wie mit ihnen umgegangen werden kann.
Es ist ratsam, mit der oder dem Partner:in auch vorab offen über das Thema Kinder und Kindeserziehung zu sprechen. Dabei dürfen auch ganz kleine Aspekte ins Auge gefasst werden. Sprechen Sie darüber, was Ihnen wichtigt ist, um auch ein Gefühl für den oder die Partner:in als Elternteil zu bekommen.
Beachten Sie aber auch, dass sich Menschen stetig verändern und es gut ist, immer wieder über die eigenen Vorstellungen und Ansichten ins Gespräch zu kommen.
Tipp:
Sprechen sie vorab über Erwartungen und
Vorstellungen

Ein Kind zu bekommen, bedeutet vor allem auch eine große Veränderung im Sozialleben. Man hat für viele, die einem wichtig sind oder mit denen man viel gemeinsam gemacht hat einfach weniger Zeit.
Außerdem können sich Dynamiken von Freundschaften verändern, wenn man sich in unterschiedlichen Lebensphasen mit anderen Prioritäten befindet (z.B. eine Person kümmert sich zuhause um das Kind, die andere ist ungebunden und viel auf Reisen). Dadurch werden Freundschaften neu definiert.
Viele neue Eltern berichten auch, dass einige alte Freundschaften wegfallen und dafür neue, vor allem mit anderen Eltern, geknüpft werden.
Zwischen Babymoon und Wochenbettdepression
Die Einstellung auf die Bedürfnisse des Neugeborenen ist psychisch und physisch für das Elternpaar überwältigend, da Mutter und Vater sich in einer völlig neuen Situation befinden. Es kommt zu einem absoluten Bruch mit dem bisherigen Alltagsleben.
Gleichzeitig sind die Eltern unglaublich stolz und haben viele Glücksgefühle. Das wird als Baby-Honeymoon bezeichnet.
Die Mutter erfährt nun starke körperliche und emotionale Veränderungen. Die hohe körperliche und psychische Beanspruchung kann zur postpartalen Depression („Wochenbettdepression“) führen.
Väter erfahren intensive Gefühle für das Baby und Zustände emotionaler und kognitiver Überwältigung. Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Anspannung und Sorgen um das Kind sind möglich. Die Hauptaufgabe des Partners in dieser ersten Phase ist es, für die Mutter und ihre Versorgung da zu sein. Auch beim Vater gibt es in der Phase nach der Geburt hormonelle Veränderungen, die zu einer stärkeren Familienorientierung führen.
Die Beziehung zwischen den Elternteilen, die Paarbeziehung, gestaltet sich nun so, dass das Kind verbindend und trennend zugleich wirkt. Es wirkt verbindend, weil das Paar die gemeinsame Aufgabe der Versorgung und des Beschützens hat. Genauso aber auch trennend, da jeder Elternteil seine persönlichen Bedürfnisse zurückstellen und die Liebe mit dem Kind teilen muss.
Etwa bis zum 6. Lebensmonat des Säuglings dauert es, bis die Eltern den Alltag zu dritt bewältigen. Gegen Ende des 1. Lebensjahres des Kindes stabilisiert sich die Emotionalität. Bei den Eltern ist eine gewisse Entspannung, Vertrautheit, Gewöhnung und Routine in Bezug auf ihre Elternrolle eingetreten.
Die genannten Herausforderungen, die durchaus schwierig sein können, sollen Sie nicht abschrecken oder ängstigen. Sie sollen Sie lediglich darauf aufmerksam machen, dass der Übergang zur Elternschaft nicht immer leicht ist. Dieser Umstand ist jedoch ganz normal.
Familienentwicklung in der Anfangsphase braucht Zeit! Diese Zeit sollten Sie sich und Ihrer Familie geben.
Seien Sie geduldig miteinander und holen Sie sich Hilfe, wenn die Last zu groß wird. Reden Sie mit einer vertrauten Person oder holen Sie professionelle Unterstützung.
Vor allem nach der Geburt wäre es notwendig, die Mutter zusätzlich zur Hilfe des anderen Elternteils auch tatkräftig von außen zu unterstützen. Das passiert in der westlichen Welt im besten Fall meist nur durch die Großeltern. Haben Sie das Gefühl, mehr Hilfe zu brauchen, weil Ihnen alleine alles zu viel wird, dann holen Sie sich diese! Auch wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie möglicherweise an Wochenbettdepression leiden, sollten Sie sich unbedingt Unterstützung holen!
online video-beratung
Ein Gespräch kann Entlastung bringen. Wenn Sie sich zusätzliche Unterstützung holen möchten, stehen wir Ihnen gerne mit individueller Beratung zur Seite.
Freuen über die schönen seiten...
Eltern zu sein bringt auch viele positive Aspekte mit sich. Eltern erleben Freude und Anregung, die Kinder mit sich bringen und können Zuneigung und Wärme geben und empfangen. Außerdem erleben sich Eltern als wichtige, reife Mitglieder der Gesellschaft und erfahren neue Lern- und Wachstumsmöglichkeiten, die das Leben bereichern. Das Heranwachsen und die Entwicklung des Kindes lösen Gefühle wie Stolz, Freude und Glück aus.
...einen umgang mit den schwierigen seiten finden
Für die meisten Eltern überwiegen die wunderbaren Seiten des Elternseins und trotzdem kommt es hin und wieder vor, dass ein Kind einfach nur nervt und man sich die friedvolle, stille Zeit ohne Kinder zurückwünscht. In solchen Momenten kann es helfen, tief durchzuatmen und in naher Zukunft Zeit für sich selbst einzuplanen.
Wechseln Sie sich beim „Babydienst“ ab, um Entlastung zu bekommen. Studien haben ergeben, dass es die Partnerschaftszufriedenheit nach der Geburt erhöht, wenn die Verantwortung der Säuglingspflege geteilt wird.
Es hilft auch, immer wieder Zeit als Paar zu verbringen. Organisieren Sie sich regelmäßig einen Babysitter und unternehmen Sie etwas Schönes zu zweit. Darüber hinaus ist es hilfreich, sich mit dem oder der Partner:in über das Elternsein auszutauschen.
gut
zu
wissen:
Die Integration eines zweiten Kindes in die Familie braucht in etwa nochmals 2 Jahre. In dieser Zeit wendet sich die Aufmerksamkeit der Mutter hin zum Neugeborenen, für das ältere Geschwisterkind wird dadurch der andere Elternteil, meist der Vater, extrem wichtig. Erst mit etwa dem ersten Geburtstag ist die Aufmerksamkeitsverteilung der Eltern wieder gleichverteilt.
Die Familie findet nun eine neue Balance, gewöhnt sich an die neue Konstellation und neue Regeln, wie die Familie zu viert funktioniert, entstehen. Die Integration des zweiten Kindes ist abgeschlossen, wenn erkennbar ist, dass Eltern und Kinder unterschiedlichen Generationen angehören. Es ist dann einerseits ein Elternsystem, andererseits ein Geschwistersystem vorhanden und ein Gefühl von „wir, als Eltern“ und „wir, als Geschwister“ ist entstanden.
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