Krisen & psych. Auffälligkeiten
15. Juni 2021
·
6 Minuten Lesezeit

Tut Tot-Sein weh? Kindern Trauer zutrauen

Geschrieben von:
Dagmar Bojdunyk-Rack
Dagmar Bojdunyk-Rack
Artikelinfo:

Früher oder später tritt der Tod in das Leben jeder Familie. Wie regieren Kinder auf den Tod? Und wie kann ich mein Kind in seiner Trauer unterstützen? Und wo bekomme ich als Elternteil oder mein Kind Hilfe? Der Artikel beantwortet wichtige Fragen, die sich bei einem Trauerfall stellen.

Früher oder später tritt der Tod in das Leben jeder Familie – und macht damit ein gesellschaftliches Tabuthema präsent. Der Wunsch vieler Eltern ihre Kinder zu beschützen steht oft einer gemeinsamen Trauer im Weg und so bleiben die Kinder mit einem Kuddelmuddel an Fragen und Gefühlen ganz alleine.

Kinder trauern anders als Erwachsene

Sie lassen sich immer wieder von den Gefühlen der Umgebung mitreißen und können in den Trauerprozess leichter „hinein- und hinausschlüpfen“. Kinder und Jugendliche fühlen sich oft schuldig, weil sie zeitweise den Tod vergessen und einfach unbeschwert Spaß haben und sich wohlfühlen. Diese positiven Momente helfen aber mit, dass die Trauer bewältigt werden kann.

Lachen, Weinen, Spielen wechseln einander rasch ab.

Die kindliche Trauer zeigt sich oft sprunghaft: Die Kinder weinen herzzerreißend und rufen nach der verstorbenen Oma, im nächsten Moment springen sie auf und laufen in den Garten, um mit den Nachbarskindern zu spielen. Andere sind wiederum auf den ersten Blick fröhlich und ausgelassen und verhalten sich so, als ob nichts geschehen wäre. Plötzlich fangen sie aber an zu weinen.

 

 

Auch psychosomatische Beschwerden können auftreten, etwa Kopf- und Bauchschmerzen, Schlafstörungen und Änderungen des Essverhaltens. 

Manche Kinder suchen ständig die Nähe, vielleicht um sich auch zu versichern, dass die nächsten Bezugspersonen noch da sind.

 

Kindliche Trauerreaktionen verändern sich, tauchen oft spontan auf und reichen von Rückzug über „so tun, als ob nichts geschehen wäre“ bis zu heftigen Gefühlsausbrüchen und Aggressionen gegen sich und andere.

Kinder zeigen Wut und Zorn über einen Verlust deutlicher als Erwachsene

Besonders bei Verlusten, die ihr Leben tiefgreifend verändern, reagieren sie aggressiv. Die Wut kann sich auf das Leben allgemein beziehen oder auf Gott, der so etwas zugelassen hat, oder den Arzt, der nicht mehr helfen konnte. Die Wut kann aber auch der oder dem Verstorbenen gelten, weil sie oder er die Familie einfach verlassen hat, oder auf die Eltern, weil sie den Tod nicht verhindern konnten.

 

Wie Kinder reagieren, ist vom Alter, der Persönlichkeit, der Art des Todes und der Beziehung zur oder zum Verstorbenen abhängig.

 

Das Verständnis, was Tot-Sein bedeutet, entwickelt sich bei Kindern erst nach und nach. Vor allem jüngere Kinder können die Endgültigkeit des Todes noch nicht begreifen. Deutlich auszusprechen, dass der geliebte Mensch tot ist und dass das bedeutet, dass er nicht mehr atmet, sein Herz nicht mehr schlägt, dass er nicht mehr sprechen und laufen kann, ist unumgänglich. Formulierungen wie: „Sie/Er ist eingeschlafen oder fortgegangen.“ Oder: „Wir haben sie/ihn verloren.“, sollen vermieden werden. Denn was man verloren hat, kann man normalerweise suchen und wieder finden; und ein Kind soll auch keine Angst vor dem Einschlafen bekommen.

Was brauchen Kinder, um die Trauer bewältigen zu können?

  • Kinder brauchen ehrliche, altersgemäße Informationen und Antworten auf ihre Fragen. Wie können Sie einem Kind helfen, die Situation zu bewältigen? Indem Sie offen sind für Gespräche und dem Kind die Möglichkeit geben, Traurigkeit, Wut, Angst, Schuldgefühle auszudrücken.

  • Kinder brauchen auch Anregungen, wie sie Erinnerungen mit der verstorbenen Person pflegen und aufrechterhalten können. Gemeinsam weinen, über den Verstorbenen sprechen, sie altersgerecht bei der Vorbereitung der Verabschiedung einzubeziehen, gibt den Kindern das wichtige Gefühl dazu zu gehören.

  • Kinder brauchen trauerfreie Räume - Schule und Kindergarten und vertraute Menschen geben diese. Sie wollen nicht „anders“ behandelt oder bemitleidet werden. Wenig Worte, Geborgenheit, kleine Gesten des Mitgefühls, ein gleichbleibender Alltag sowie Verständnis für den Schmerz sind in dieser Zeit hilfreich.

  • Wenn der geliebte Mensch sehr krank war, kann den Kindern der Gedanke helfen, dass dieser Mensch nun nicht mehr leiden muss.

  • Kinder brauchen Zuversicht und Vertrauen, denn der Tod einer geliebten Person wird nie vergessen und das Leben eines Kindes für immer verändern. Doch jede Krise bringt auch Entwicklungschancen mit sich. So können Kinder durch die Auseinandersetzung mit der Trauer in ihrer Persönlichkeit reifen und Stärke für ihr weiteres Leben gewinnen.

Mutter tröstet trauriges Kind

Die eine richtige Art zu trauern gibt es nicht

Jede und jeder muss ihren oder seinen eigenen Weg finden, um über einen Verlust hinwegzukommen. Wichtig ist, sich mitzuteilen sowie Gefühle und Gedanken zu äußern. Wie lange der Trauerprozess dauert, ist individuell verschieden, vor allem im ersten Trauerjahr müssen Geburtstage, Feiertage und Jahrestage in einer neuen Form ohne den geliebten Menschen gestaltet werden. Speziell diese besonderen Tage machen den Verlust deutlich und zeigen auf, dass das Leben nie mehr das gleiche sein wird.

Trauern und Abschiednehmen brauchen Zeit

Oft wirken Kinder direkt nach einem Todesfall sehr gefasst. Die tiefe Traurigkeit kann erst nach Monaten zugelassen werden oder ausbrechen. Auch Angst und Besorgnis treten auf: „Wer kümmert sich nun um mich, wenn meine Mama auch stirbt?“ Unsicherheit und Ungewissheit über die Zukunft können über einen gewissen Zeitraum das trauernde Kind begleiten.

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