Mental Load – wenn eine für alle an alles denkt
In Österreich ist die unbezahlte Care-Arbeit in Familien noch immer überwiegend Frauen*Sache. Hinter all den Tätigkeiten im Familienalltag steht die unsichtbare Denk- und Planungsarbeit, auch „Mental Load“ genannt. Diese Arbeit ist den meisten Elternpaaren überhaupt nicht bewusst. Es ist die nie endende To-Do-Liste im Kopf, die überfordernd und belastend ist, und letztlich auch zu Konflikten und Frustration in der Paarbeziehung führt.
Mental Load ist Teil der Hausarbeit (Putzen, Kochen, Einkaufen...) und der Care-Arbeit (sich kümmern um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige). Extra hervorgehoben werden kann auch die Wichtelarbeit (an Geburtstage denken, Geschenke besorgen, Adventkalender befüllen, Feste planen und vorbereiten). Diese Arbeit ist unsichtbar und unbezahlt. Sie wird in Österreich in erster Linie von Frauen* verrichtet. In der Regel trägt die Person den Mental Load, die ihre Erwerbsarbeit zugunsten der Familienarbeit zurückstellt.
Bei Mental Load geht es nicht nur um die Durchführung von Aufgaben, sondern vor allem um die Denk- und Planungsarbeit dahinter.
MENTAL LOAD - Ein beispiel
"Mit einem Kind zur oder zum Kinderärztin oder Arzt gehen", ist die Durchführung der Tätigkeit. Dahinter liegen die unsichtbaren Denkaufgaben, die etwa so aussehen können:
Ein weiterer Aspekt von Mental Load ist der Emotional Load, die Gefühlsarbeit. Die Person, welche den Mental Load trägt, fühlt sich auch zuständig dafür, dass es allen Personen in der Familie (emotional) gut geht.
Sie vollzieht also permanent einen inneren Rollenwechsel mit allen nahestehenden Personen um zu merken, was diese brauchen.
Häufig führt dies dazu, dass die Person, welche Emotional Load trägt, ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten der Anderen zurücksteckt.
- Gedanken darüber machen, welche Förderung ein Kind benötigt.
- Für Harmonie in der Familie sorgen.
- Gedanken über die sozialen Kontakte der Kinder machen und diese aktiv fördern.
- Überlegen, was wem Freude bereiten könnte.
- Dekorieren der Wohnung, damit sich alle wohlfühlen können.
Warum ist der mental load ein Problem?
Mental Load ist unsichtbar und unbezahlt. Häufig merken Mental Load Träger:innen selbst nicht einmal, wie viel Arbeit sie leisten. Es sind die Tätigkeiten, die „nebenher“ automatisch passieren, und für die es keine Anerkennung gibt.
In Österreich herrscht ein sehr konservatives Familienbild vor. Weniger als 1% der Väter* geht länger als 6 Monate in Karenz. Nur 7% der Väter* arbeiten in Elternteilzeit (Statistik Austria 2020). Das meistgewählte Modell ist, dass Frauen* ihre Erwerbsarbeit zugunsten der unbezahlten Familienarbeit deutlich reduzieren. Väter* legen ihren Fokus auf den Beruf und die finanzielle Versorgung der Familie.
Dadurch werden Frauen* automatisch zu Mental Load-Träger:innen und zu „Manager:innen“ der Familie. Sie verbringen mehr Zeit mit den Kindern, sehen Aufgaben schneller, und werden unglaublich effizient in der Durchführung dieser. Frauen* tendieren dazu, sich selbst permanent zu optimieren. Sie lesen Haushaltsratgeber, bestellen Kinderkleidung im Internet auf dem Weg zur Arbeit, verbinden Wege mit Besorgungen, erstellen Wochenessenspläne oder andere Listen. Und schaffen trotzdem nicht alles.
Sie leiden unter extremen Stress und einem ständig vorhandenen schlechtem Gewissen. Die To- Do´s im Kopf werden immer mehr, die eigenen Bedürfnisse werden häufig ignoriert, um möglichst gut für alle Anderen zu funktionieren. Dies führt nicht selten zu mentaler Überlastung, welche wiederum zu Erschöpfung, depressiven Symptomatiken bis hin zu Burn-Out Symptomen führen kann. Der Cortisol-Spiegel (Stress-Hormon) von Müttern* ist nachgewiesenermaßen deutlich erhöht.
Mental Load belastet beziehungen
Ungleich verteilter Mental-Load führt außerdem zu Konflikten und Frust in der Partnerschaft. Frauen* haben häufig das Gefühl, dass die Verantwortung für das Familienmanagement bei ihnen alleine liegt. Sie fühlen sich von ihrem oder ihrer Partner:in im Stich gelassen und nicht wertgeschätzt. Sätze, die ich dazu in der Beratung immer wieder höre, sind:
„Wenn er mich liebt, muss er doch sehen, was ich leiste und brauche“
„Wenn ich es nicht mache, macht es niemand“.
„Ich habe das Gefühl, mit meinem oder meiner Partner:in noch ein weiteres Kind zu Hause zu haben“.
Von Männern* höre ich häufig „Egal was ich mache, ich kann es ihr eh nicht recht machen“.
Dabei wünschen sich viele Paare eine Beziehung auf Augenhöhe und gleichberechtigte Elternschaft. Strukturelle Rahmenbedingungen, fehlende Rollenvorbilder und gesellschaftliche Rollenerwartungen führen allerdings dazu, dass viele Paare wieder auf eine traditionelle Rollenverteilung in der Familie zurückgreifen. Dies ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem.
WAS KANN MAN TUN, DAMIT DER MENTAL LOAD NICHT AN EINER PERSON HÄNGEN BLEIBT?
Der erste Schritt zur Veränderung ist, sich die Mentale Last überhaupt bewusst zu machen. Erkennen Sie selbst, was Sie leisten.
Schreiben Sie jedes To-Do, welches Ihnen im Laufe des Tages einfällt, auf einen Zettel. So wird das Ausmaß der Denkarbeit sichtbar. Sie werden feststellen – das ist eine ganze Menge!
Machen Sie sich den Wert dieser Arbeit bewusst. Wer die unbezahlte Care-Arbeit verrichtet, hält dem oder der Partner:in den Rücken frei für Erwerbsarbeit.
Die Person, welche den Mental Load nicht trägt, sieht diese inneren To-Do´s nicht.
Sprechen Sie darüber, wie Sie sich eine gemeinsame Elternschaft vorstellen. Sprechen Sie über Ihre Rollenaufteilung – passt diese noch für beide? Gibt es andere Wünsche?
Mithelfen des oder der Partner:in verringert die mentale Belastung nicht. Was helfen würde, wäre echte Verantwortungsübernahme für die Tätigkeiten.
Im Internet gibt es zahlreiche Mental-Load Listen bzw. Haushaltslisten. Füllen Sie gemeinsam eine aus und verteilen Aufgaben.
Wichtig dabei ist, nicht nur die Tätigkeiten aufzuteilen, sondern auch die Verantwortung dafür zu übergeben. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn wir alle haben tief in uns verankerte Rollenbilder, die hinterfragt werden müssen.
Notieren Sie sich wöchentlich einen fixen Zeitpunkt im Kalender, in dem Sie gemeinsam mit Ihrem oder Ihrer Partner:in die Aufgaben und Termine für die nächste Woche absprechen.
Dabei müssen die Aufgaben nicht unbedingt 50:50 geteilt werden. Wichtig ist, dass es sich fair anfühlt, und nicht eine Person alleine überlastet ist.
Das Konzept von wirklich gleichberechtigter Elternschaft sieht ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von beiden Elternteilen zwischen Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kinderbetreuung- und Erziehung und persönlicher Freizeit vor.
wussten
sie,
dass...?
Väter*, die länger als 5 Monate in Elternkarenz waren, beteiligen sich nachhaltig mehr an der Haus- und Care-Arbeit. Denn sie sehen in dieser Zeit, welche To-Do´s sich im Familienalltag ergeben und fühlen sich dafür auch verantwortlich. Außerdem haben sie dadurch eine bessere Bindung zu ihren Kindern. Und Mütter* erleben in dieser Zeit, dass ihre Kinder beim Vater* gut versorgt sind. Die Lebenszufriedenheit aller in der Familie steigt.
Eine längere Väter*karenz wäre somit die effektivste Maßnahme für gleichberechtigte Elternschaft.
Der Verein Frauen* beraten Frauen* bietet zum Thema „Mental Load und gleichberechtigte Elternschaft“ Einzelberatungen, Paarberatungen und auch Vorträge und Workshops an.
online-videoberatung
Auch die Berater*innen der Elternseite.at sind für Sie da, wenn Sie sich zusätzliche Unterstützung holen möchten.