Wenn unterschiedliche Erziehungsstile aufeinandertreffen
„Wie erziehe ich mein Kind richtig?“ ist eine Frage, die sich die allermeisten Eltern früher oder später stellen. Die Frage nach dem, was „richtig“ oder „falsch“ ist, ist heutzutage schwerer zu beantworten denn je. Die Wissenschaft konnte bisher nicht „einen“ oder „den richtigen” Erziehungsstil hervorbringen. Es steht eine unglaubliche Menge an Informationen zur Verfügung und Empfehlungen verändern sich, teilweise sogar in das genaue Gegenteil. Das kann verwirrend und verunsichernd sein. Trotzdem hat jede:r durch die eigenen Erfahrungen und Wertehaltungen eine eigene Vorstellung davon, was das Beste für das Kind ist.
Da der eigene Nachwuchs einem in den aller meisten Fällen sehr wichtig ist, kann es unter anderem genau deshalb sehr emotional und manchmal auch schwierig werden, wenn die oder der eigene (Ex-)Partner:in oder die Großeltern entgegen den eigenen Vorstellungen handeln. Dieser Artikel soll weniger auf Erziehungsstile im Allgemeinen eingehen, sondern vielmehr Ideen zu einem guten Umgang damit bieten, wenn man sich in der Elternschaft mit unterschiedlichen Erziehungsstilen konfrontiert sieht.
Erziehungsstile sind individuell
Es gibt nicht den einen richtigen Erziehungsstil. Sowohl ein eher „autoritärer“ als auch ein eher „freier“ Erziehungsstil haben ihre Vor- und Nachteile.
Natürlich ist es wichtig, die Rechte des Kindes zu wahren, also z.B. frei von physischer oder psychischer Gewalt zu erziehen und dem Kind Privatsphäre und Raum zur eigenen Entfaltung zu geben. Innerhalb dieses Rahmens ist aber höchst individuell, was für eine Familie passen kann. Dies kann sowohl entlastend als auch verunsichernd sein.
Daher, und auch weil es sich oft um ein „Selbstverständnis“ handelt, ist es kein Wunder, dass unterschiedliche Erziehungsstile ein häufiger Streitpunkt unter Erwachsenen sind. Vor allem in der eigenen Partnerschaft, in der man sich bisher über so vieles einig war, kann es sehr überraschend sein, welche Themen auf das Tableau kommen, sobald Nachwuchs da ist.
Sieht man näher hin, macht es nur Sinn, denn Eltern sind mit unterschiedlichen Prägungen und Wertevorstellungen aufgewachsen. Zwangsläufig hat ein Elternteil positive oder auch abschreckende Beispiele im Hinterkopf, die der andere jeweils nicht oder anders hat. Es wäre seltsam, wenn es bei dem Thema nie zu Konflikten kommen würde.
Im Folgenden beleuchten wir, wie damit umgegangen werden kann, wenn in der Partnerschaft, zwischen getrennten Eltern und Eltern und Großeltern Konflikte aufgrund unterschiedlicher Erziehungsstile entstehen.
Unterschiedliche Erziehungsstile in der Partnerschaft
In einer gelingenden gemeinsamen Elternschaft sind Kommunikation, Wertschätzung und die Bereitschaft den anderen verstehen zu wollen gefragt. Ziehen Sie Ihren Nachwuchs gemeinsam groß, kann es sinnvoll und auch entlastend sein, dieselbe Linie zu fahren und an einem Strang zu ziehen.
Dies ermöglicht Sicherheit, Klarheit und Struktur, an der sich das Kind festhalten kann. Dies bedeutet nicht, dass jeder Elternteil alles genau gleich handhaben muss. Individualität in der Beziehung zu dem Kind soll trotzdem Platz haben. Es geht vielmehr darum, dass das Kind grundsätzlich spürt „Meine Eltern sind eine Einheit – Mama/Papa steht nicht allein da“.
Vorab ist es natürlich wichtig, diese gemeinsame Linie auszuhandeln. Es geht nicht darum, dass man aus Prinzip dasselbe gutheißen muss.
Was kann also helfen, wenn man sich nicht einig ist?
- Konstruktive Gespräche:
Als erstes ist es hilfreich, wenn Sie als Paar gemeinsam lernen, konstruktiv zu diskutieren. Dazu gehören Dinge wie gut zuhören, den anderen ausreden lassen, Fragen stellen, Ich-Botschaften formulieren, präzise ausdrücken, was einen stört bzw. was man sich wünscht, das Gehörte zusammenfassen, genaue Lösungen oder Strategien vereinbaren und vor allem, immer respektvoll bleiben.
Konstruktiv streiten zu können, ist dabei wichtig! Tun Sie sich damit schwer, kann Mediation oder Paartherapie unterstützend wirken. - Werte klären:Zunächst kann es erleichtern, zuerst über Werte, die Ihnen wichtig sind, und dann erst über konkrete Maßnahmen in der Erziehung, zu sprechen.Es geht also darum zu klären „worum geht es (mir) wirklich und was ist (mir) wichtig?“.
Das vereinfacht es dann auch, gegebenenfalls einen Kompromiss zu finden.
Beispielsweise kann ein Elternteil sich wünschen, dass das Kind Selbstständigkeit lernt, dabei muss es aber nicht unbedingt schon darum geht, dass es allein einkaufen gehen soll. Begründen Sie, worum es Ihnen geht. Dann kann sich der andere Elternteil besser in Sie hineinversetzen. - Aus Erfolgen lernen:Wichtig ist auch, anzuerkennen, wo das, was man in der Erziehung möchte, bereits funktioniert. Wo hört Ihr Nachwuchs beispielsweise sehr gut auf Sie? Fragen Sie sich, was in diesen Situationen anders ist: Die Rahmenbedingungen? Ihre Haltung? Vielleicht lassen sich Grundprinzipien ausarbeiten, die auf andere Situationen ausgeweitet werden können.
Teilen Sie miteinander nicht bloß Ihre Herausforderungen, sondern erzählen Sie sich gegenseitig, wo Sie das Gefühl haben, souverän in Ihrer Elternschaft aufzutreten. Vielleicht können Sie sich sogar voneinander etwas abschauen und einander durch individuelle Stärken unterstützen! - Konkrete Vorgehensweise:Ist es Ihnen als Paar möglich geworden Ziele zu vereinbaren – was ist uns wichtig und warum? – besprechen Sie konkrete Strategien, um sich diesen anzunähern. Am Ende eines Gespräches sollte nicht nur klar sein was Sie als Eltern erreichen möchten, sondern wie Sie dies tun wollen und wer welche Aufgaben dafür übernimmt.
Fassen Sie ruhig nochmal zusammen oder fragen Sie nach, ob Sie Ihren Teil so richtig verstanden haben. Z.B. "Habe ich es richtig verstanden? Wenn einer von uns das Kind bittet, das Geschirr wegzutragen, bietet der andere Elternteil dem Kind jetzt noch an, es dabei zu unterstützen?" Aus Fehlern lernen
Jede:r macht Fehler. Sollten Sie mit Ihrem eigenen Verhalten nicht zufrieden sein oder etwas ändern wollen, können Sie sich für „Erziehungsfehler“ entschuldigen und sagen, dass Sie bestimmte Situationen in Zukunft anders handhaben möchten. Sehen Sie „Fehler“ als Gelegenheit, durch Versöhnung Beziehungen zu stärken und als Familie weiter zu wachsen.
Unterschiedliche Erziehungsstile bei getrennten Eltern
Auch bei getrenntlebenden Eltern ist es am besten, wenn die Elternschaft nach wie vor gemeinsam gelebt wird, wenn auch die Partnerschaft nicht mehr besteht.
Ist es möglich, trotzdem als Elternteam aufzutreten, können Sie sich gegenseitig unterstützen und gemeinsame Abmachungen treffen, wie zu, Beispiel bestimmte Handyzeiten einzuhalten.
Manchmal ist dies jedoch aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich, beispielsweise wenn Eltern stark zerstritten sind, oder die Ansichten in Erziehungsfragen zu weit auseinander gehen. Wenn Sie sich nicht einig sind oder der andere Elternteil die eigenen Bemühungen sogar untergräbt, kann Mediation hilfreich sein, einen gemeinsamen Umgang und Kompromisse zu finden. Sollte sich trotz mehreren Versuchen nichts ändern und der andere Elternteil für Gespräche nicht offen sein, ist es ab einem gewissen Punkt sinnvoll zu akzeptieren, dass sich an dieser Stelle nichts ändern lassen wird.
In diesem Fall ist es hilfreich festzuhalten und wahrzunehmen, was die Unterschiede in der Erziehung in den getrennten Haushalten sind und diese dem Nachwuchs klar zu vermitteln. Sagen Sie ihm also, wie was bei wem gehandhabt wird und warum und wie Sie dies umsetzen möchten. Zum Beispiel: „Bei Papa/Mama hast du unbeschränkte Handyzeit. Darauf habe ich keinen Einfluss. Mir ist es allerdings wichtig, dass wir beim Essen und am Abend kein Handy mehr benutzen. Deshalb werden alle Familienmitglieder ihre Handys zu den ausgemachten Zeiten im Eingangsbereich liegenlassen“.
Sollte der andere Elternteil die Kinderrechte nicht einhalten oder gar Ihr Kind auf irgendeine Art und Weise gefährden, ist es natürlich wichtig sofort aktiv zu werden und professionelle Hilfe zu holen (Kinder- und Jugendhilfe, Polizei etc.).
Unterschiedliche Erziehungsstile von Großeltern
Auch hier kann es sinnvoll sein, vorab über grundlegende Erziehungsvorstellungen zu sprechen. Dabei hilft es, diese klar und präzise zu formulieren und mit Beispielen zu untermalen. Beachten Sie, solche Gespräche in Ruhe und in Abwesenheit der Kinder zu führen, um sich voll auf das Gespräch einlassen zu können.
Sprechen Sie darüber, was Ihnen wichtig ist und überlegen Sie, welche Ausnahmen für Sie passen. Vielleicht ist es für Sie okay, dass der Nachwuchs bei den Großeltern noch ein zweites Eis bekommt, wo zuhause nach dem ersten Schluss wäre. Überlegen Sie, wo Sie flexibel sein möchten und an welchen Vorgehensweisen Sie festhalten wollen. Möglicherweise gibt es Aspekte, die sie von Ihren eigenen Eltern übernehmen möchten. Geben Sie sich die Chance, von deren Erfahrungen zu lernen.
Auch gemeinsam mit den Großeltern Ihrer Kinder ein Buch, einen Artikel oder Elternratgeber zu lesen und sich darüber auszutauschen, kann eine wunderbare Möglichkeit bieten, sich weiterzubilden, die Beziehung zu fördern und dabei sogar Spaß zu haben!
Manchmal sind Großeltern bei der Betreuungshilfe wahre Superheld:innen. Dankbarkeit und Wertschätzung steigert nicht nur die Freude am Helfen, sondern schafft auch Verbindung zwischen den Beteiligten.
Gelegentlich können Großeltern und ihre Wünsche oder Ansprüche an Sie als Eltern oder das Enkelkind auch eine große Herausforderung darstellen. In diesen Fällen ist es hilfreich, respektvoll klare Grenzen zu setzen. Dafür ist es von Vorteil, mit übergriffigem Verhalten Außenstehender gut umgehen zu können.
Einen gemeinsamen Weg finden
Zusammenfassend können das Wissen um das, was einem wichtig ist, gute Kommunikation und klare Strukturen, die gleichzeitig flexibel immer wieder reflektiert werden sollten und dem Wohl des Kindes dienen, sehr dabei helfen, mit unterschiedlichen Vorstellungen in der Erziehung Ihres Nachwuchses umzugehen!
Gelingt dies kann etwas Gemeinsames und Neues entstehen. Außerdem hilft es dem Kind nach und nach selbst sich eine Meinung zu bilden und seine Werte zu finden. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erziehungsstilen kann manchmal jedoch sehr fordernd sein.
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