Sexualität & Aufklärung
22. Juli 2021
·
8 Minuten Lesezeit

Sextortion – Erpressung online

Geschrieben von:
Alles klar?! Ein digitales Aufklärungsprojekt
Alles klar?! Ein digitales Aufklärungsprojekt
Artikelinfo:

Mit Sex-Scam oder Sextortion wird eine Erpressung durch Sex-Chats bezeichnet. Die Betroffenen werden dazu verleitet, sich vor der Kamera auszuziehen oder sexuelle Handlungen durchzuführen und mit Bildern oder Videos davon erpresst. Eltern sollten sich dieser Online-Gefahr bewusst sein.

Die Aufforderung „Lass uns doch auf Skype wechseln“ kann fatale Folgen haben. Vor allem Burschen und junge Männer, manchmal auch junge Frauen, lassen sich auf einen vermeintlichen Flirt mit attraktiven Frauen im Internet ein. Der Beginn ist häufig in sozialen Netzwerken wie Facebook oder WhatsApp, aber auch in Dating Apps bzw. Spiele-Netzwerken. Es wird über das Chatten eine Beziehung und Vertrauensbasis zum Gegenüber aufgebaut. 


Schnell wird vorgeschlagen auf einen Video-Chat wie z. B. Skype zu wechseln. Dort posiert das Gegenüber lasziv und beginnt sich auszuziehen. Die UserInnen werden aufgefordert, mitzumachen, sich ebenfalls auszuziehen bzw. sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Viele kommen dem nach, da sie sich in Sicherheit wiegen, weil sich das Gegenüber zum Beispiel ebenfalls auszieht. Was viele nicht wissen: Hinter der weiblichen Chatpartnerin (manchmal sind es auch nur geschickt zusammengefügte Videosequenzen) steckt eine organisierte Betrügerbande, die den Video-Chat aufzeichnet.

 

In weiterer Folge werden die Opfer dann erpresst. Ohne ihr Wissen wurden ein Video oder Fotos von ihnen aufgenommen. Es wird gedroht, das Video beispielsweise auf Youtube oder Youporn zu veröffentlichen oder auch an alle Online-Kontakte wie z. B. Facebook-Freund*innen zu senden, wenn nicht ein bestimmter Geldbetrag (rund 300 - 500 Euro) bis zu einem gewissen Zeitpunkt überwiesen wird.

Webcam eines Laptops

Sextortion = Wortkombination aus Sex und Extortion (= Erpressung)

Sex-Scam = Wortkombination aus Sex und Scam (= Betrug)

  • Welche Gefühle und Gedanken kommen jetzt in Ihnen auf: Sind Sie schockiert? Oder erleichtert, dass mal jemand darüber spricht?
  • Haben Sie persönlich schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht? 

Wir wollen Sie mit den Reflexionsfragen einladen, über Ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle nachzudenken. So können Sie die Situation Ihres Kindes besser verstehen. Aber auch eigene, vielleicht einschränkende, Einstellungen und Haltungen hinterfragen. 

 

Wählen Sie einen ruhigen Moment an einem Ort, wo Sie sich ungestört fühlen. Nehmen Sie Zettel und Stift zur Hand. Notieren Sie Ihre Gedanken zu den Fragen.

aufklärung hilft!

Es ist besonders wichtig, bereits im Vorfeld das Kind über mögliche Gefahren im Internet aufzuklären. Nicht alle Menschen im Internet meinen es gut mit einem bzw. können jemand anderer sein, als sie vorgeben. Versuchen Sie Ihrem Kind keine Angst zu machen, sondern bestärken und unterstützen Sie Ihr Kind dabei, auf sein/ihr Bauchgefühl zu hören. So können Sie dabei helfen, dass er/sie schon frühzeitiger mit Kontaktabbruch reagiert, wenn ihm/ihr etwas komisch vorkommt.

 

Machen Sie ihm/ihr bewusst, dass ein Videochatraum KEIN sicheres Portal ist! Auch wenn Nachrichten verschlüsselt sind, können diese mitgeschnitten oder Screenshots davon angefertigt werden. Sprechen Sie mit Ihrem Nachwuchs über mögliche Warnzeichen, durch die ein derartiger Erpressungsversuch erkannt werden könnte. Beispielsweise geht es meistens nicht so schnell, dass sich eine andere Person so intim zeigt.

 

In der Prävention kann einiges geschafft werden. Auch im Voraus kann der Umgang mit so einer Situation besprochen werden. Dadurch kann es dem/der Jugendlichen im Notfall einfacher fallen sich zu öffnen und sich sicher zu verhalten.

 

Umrisse eines Mann der mit Kamera filmt

in die falle getappt

Möglicherweise geraten Betroffene in derartige Situationen, weil die Hemmschwelle im Internet oft geringer ist. Viele schämen sich dann und haben Angst, sich Hilfe zu holen. Dabei handelt es sich um eine klare Straftat, die Betroffene auch bei der Polizei anzeigen können (Erpressung § 144 StGB, eventuell auch Anfertigen/Veröffentlichen von kinderpornografischem Material, wenn der/die Betroffene unter 18 Jahre alt ist (§ 207a StGB), geschlechtliche Nötigung oder auch andere Straftatbestände).

Jugendliche geraten deshalb vielleicht leichter in eine derartige Situation, weil sie gerne Neues ausprobieren aber es sind durchaus auch viele Erwachsene betroffen.

 

Auch wenn man es sich schwer vorstellen kann und nicht glauben möchte: Sextortion kann auch durch Freunde oder Bekannte passieren – beispielsweise hat jemand Schluss gemacht oder den anderen verärgert und dieser greift dann auf intime Materialien zurück und erpresst oder demütigt das Gegenüber. Grundsätzlich ist es wichtig zu erinnern, dass im Internet Vorsicht geboten ist was man teilt, da man sich nicht sicher sein kann, wer das Gegenüber tatsächlich ist oder auch jemand den man kennt, Aufnahmen (Fotos/Videos) gegen einen benutzen kann.

Viele schämen sich und haben Angst, Hilfe zu holen. Dabei handelt es sich um eine klare Straftat.

Was können Eltern tun, wenn ihr Kind betroffen ist?

Ist Ihr Kind von einem Sex-Scam betroffen, ist es wichtig Ruhe zu bewahren und ihr Kind bestmöglich zu unterstützen. Versuchen Sie, keine Vorwürfe zu machen – auch wenn es schwer fällt.

 

Versetzen Sie sich in die Situation Ihres Kindes hinein: Was würden Sie in so einer Situation fühlen und brauchen?

Gehen
Sie
SCHRitt-für-schritt

vor!

  • Zahlen Sie auf KEINEN Fall das geforderte Geld! Das Bezahlen schützt nicht vor einer Veröffentlichung. Wird den Forderungen der Erpressung nachgekommen, wird nämlich mitunter erst recht mehr Geld verlangt.

  • Sichern Sie Beweise, machen Sie Screenshots vom Erpressungschat und vom Profil des/r Täter*in und von den Konversationen. Informieren Sie den/die Täter*in, dass Erpressung rechtlich nicht erlaubt ist. 

  • Brechen Sie den Kontakt ab: Blockieren Sie die Person, nachdem Sie die Beweise gesichert haben und melden Sie sie beim Seitenbetreiber. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass es keinen Sinn macht, mit den ErpresserInnen zu verhandeln, zu diskutieren oder ihnen zu drohen.
  • Wenn es für Ihr Kind vorstellbar ist: Gehen Sie zur Polizei und erstatten Sie Anzeige! Entscheiden Sie jedoch nichts über den Kopf Ihres Kindes hinweg. Es ist nicht einfach, die Fotos und Videos fremden Personen zu übergeben.

  • Legen Sie einen Google Alert an: So werden Sie über Veröffentlichungen von Videos und Fotos informiert, die mit dem User-Namen Ihres Nachwuchses versehen sind.
  • Falls tatsächlich ein Video hochgeladen wurde, melden Sie es auf der jeweiligen Plattform! Wählen Sie dazu, sofern verfügbar, bei dem veröffentlichten Inhalt die Meldung nach dem KoPI-G (Kommunikationsplattformengesetz). Das KoPl-G schreibt den großen Onlineplattformen vor, dass sie Inhalte, die in Österreich strafbar sind innerhalb von 24 Stunden löschen müssen, bei zweifelhaften Fällen haben die Plattformen 7 Tage Zeit, um die gemeldeten Inhalte zu prüfen. Der Vorteil einer Meldung nach dem KoPl-G ist, dass die gemeldeten Inhalte meistens schneller überprüft und damit auch schneller gelöscht werden. In den Privatsphäre Leitfäden von Safer Internet finden Sie Anleitungen, wie Sie auf den unterschiedlichen Onlineplattformen Inhalte melden können.

Es gibt bei
der Polizei 

eine eigene Stelle für Cybercrime.

Bei den meisten Jugendlichen löst dieser Erpressungsversuch große Scham und Ängste aus. Die Jugendlichen fragen sich auch, was sein könnte, wenn ihre FreundInnen tatsächlich das Erpressungsvideo zugeschickt bekommen oder davon erfahren.

 

Sie können Ihr Kind am besten unterstützen, indem Sie ihm/ihr Ihre volle Unterstützung zusichern und als GesprächspartnerIn für seine/ihre Befürchtungen und Sorgen zur Verfügung stehen. Sie könnten Ihr Kind nach den Befürchtungen fragen und gemeinsam einen Plan erstellen, für den Fall, dass diese Befürchtungen eintreten. Z. B. wie man konkret reagieren könnte, falls Bekannte tatsächlich von der Erpressung erfahren. Solche Handlungspläne können die Ängste reduzieren und dem/der Jugendlichen das Gefühl geben, dass er/sie der Erpressung nicht so ohnmächtig ausgeliefert ist.

Ist die Verzweiflung des Jugendlichen oder Ihre eigene sehr groß oder anhaltend, gibt es auch die Möglichkeit, professionelle Hilfe bei einer lokalen psychosozialen Einrichtung in Anspruch zu nehmen.

hilfreiche online-tools

Es gibt 2 Tools, die eventuell eine Veröffentlichung der Nacktbilder/Nacktvideos auf bestimmten Onlineplattformen verhindern können. 


Take it down für Personen unter 18 Jahre, verhindert den Upload von intimen Bildern oder Videos auf den Plattformen: Instagram, TikTok, Facebook, Onlyfans, Pornhub, Clips4Sale, Yubo. Take it down ist derzeit nur auf Englisch verfügbar, Sie können aber die Schritt-für-Schritt Anleitung auf Deutsch von Rat auf Draht nützen.


Stop Non-Consensual Intimate Image Sharing für Personen ab 18 Jahren, verhindert den Upload von intimen Bildern oder Videos auf den Plattformen: Instagram, TikTok, Facebook, Onlyfans, Bumble, Reddit.



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