Krisen & psych. Auffälligkeiten
23. März 2023
·
7 Minuten Lesezeit

Hummeln im Bauch: ADHS bei Kindern und Jugendlichen

Geschrieben von:
Lisa Pongratz
Lisa Pongratz
Artikelinfo:

Die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (kurz: ADHS) ist den meisten Menschen mittlerweile ein Begriff. Doch wodurch wird sie genau gekennzeichnet? Und was können wir als Eltern tun?

hyperaktivität

Die körperliche und psychische Hyperaktivität ist wohl eines der bekanntesten Symptome von Kindern mit ADHS. Es wird gezappelt, exzessiv auf alles Mögliche geklettert, wild herumgeturnt und viel gerannt. Für Eltern ist es oft schwierig einzuschätzen, ob die kindliche Aktivität normal oder auffällig ist. Deshalb treten die Auffälligkeiten anfänglich oft im Kindergarten oder bei Schulbeginn auf.

 

Leider zeigt sich bei Kindern mit ADHS durch das hyperaktive Verhalten auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko.

 

Häufig zeigt sich bei diesen Kindern auch eine gewisse Distanzlosigkeit. Sie werden oft als grob, grenzüberschreitend und motorisch ungeschickt wahrgenommen.

 

Auch ein feinmotorisches Defizit wird manchmal beobachtet. Das heißt, dass etwa die Fähigkeit zum Schreiben, Basteln oder Malen eingeschränkt ist.

aufmerksamkeitsstörung

Aufgrund der erhöhten Ablenkbarkeit und geringer Konzentrationsausdauer haben ADHS-Kinder große Schwierigkeiten, lange bei einer Sache zu bleiben.

 

Dies zeigt sich vor allem im Bereich des Arbeitsgedächtnisses. Das Arbeitsgedächtnis ist ein Teil des Gedächtnis, das Informationen nur kurzfristig speichert, wie beispielsweise Telefonnummern. Wenn es darum geht, Informationen rasch aufzunehmen und diese bis zu einer nächsten Handlung zu behalten, ist bei Kindern mit ADHS ebendiese Funktion oft eingeschränkt. Gibt es beispielsweise eine Aufgabe, sich fünf Zahlen in einer gewissen Reihenfolge zu merken, dann tun sich betroffene Kinder schwerer als gesunde Kinder im Vergleich, diese korrekt wiederzugeben. Das liegt nicht nur an der eingeschränkten Merkfähigkeit, sondern bereits an der Wahrnehmung der relevanten Information. Der Fokus bei Kindern mit ADHS bleibt nicht lange auf einer Sache, sondern springt von einer zur nächsten. 

Impulsivität

Ein typisches Verhaltensmuster bei betroffenen Kindern ist die Impulsivität in gewissen Situationen. Häufig wird im Unterricht herausgerufen ohne mit der Hand aufzuzeigen, Gespräche werden unterbrochen und Handlungen werden ohne viel Überlegen oder eine Risikoeinschätzung gesetzt.

 

Diese Impulsivität kann zu vielen Gefahren im Alltag führen. Beispielsweise kann impulsives Handeln zum raschen Überqueren einer Straße führen, weil auf der anderen Seite ein Kätzchen sitzt. 
Unfälle sind leider keine Seltenheit bei Kindern mit ADHS, da sie eine höhere Risikobereitschaft haben als andere Kinder. Es fehlt ihnen oft eine natürliche Verhaltenshemmung, die sie davon abhält, ohne zu Zögern zu sprechen oder zu handeln. 


Ein impulsives Antwortverhalten in Testsituationen sowie Flüchtigkeitsfehler führen oft dazu, dass betroffene Kinder als nicht so klug eingeschätzt werden, wie sie eigentlich sind. Das ist auch der Grund, warum viele Kinder mit ADHS schlechte schulische Leistungen erbringen, obwohl sie sehr intelligent sind. 

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Schwächen... und stärken

Kinder mit ADHS haben aber nicht nur Schwächen, sondern auch ausgeprägte Stärken. Viele sind beispielsweise sehr kreative Köpfe, haben hohes schöpferisches Potential und sind obendrein sensible und empathische Menschen. Bei der Betrachtung des betroffenen Kindes ist ein ganzheitlicher Fokus mit Einbeziehung aller positiven und negativen Eigenschaften essentiell. Leider passiert es im Alltag nämlich häufig, dass die Kinder auf ihre Defizite reduziert werden und in eine Sündenbockrolle kommen. Alle Kinder haben sowohl herausfordernde als auch sehr liebenswerte Seiten. 

was sind die ursachen für ADHS?

Wie bei den meisten psychischen Störungen ist die ADHS nicht einer Ursache eindeutig zuordenbar. Da wir in der klinischen Psychologie immer von einem biopsychosozialen Modell ausgehen, gibt es auch unterschiedliche Bedingungen, die zur Entstehung einer ADHS beitragen können. Einerseits sind das genetische Einflüsse oder Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt, andererseits wirken sich schwierige Familienverhältnisse und wenig intrafamiliäre Struktur/Halt begünstigend auf die Entwicklung einer ADHS aus. 

welche therapiemöglichkeiten gibt es bei adhs?

Eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung lässt sich durch unterschiedliche Zugänge behandeln. Verhaltenstherapeutische Interventionen, ergotherapeutische Maßnahmen und systemische Familientherapie haben sich als wirksam erwiesen.

 

Ebenso kommt es häufig zur psychiatrischen Behandlung durch spezielle Medikamente, die den Fokus der Kinder schärfen und die Impulsivität hemmen. Die Sorge vieler Eltern, dass diese Medikamente abhängig machen und die Persönlichkeit ihres Kindes völlig verändert, sind unbegründet. Es ist hierbei wichtig, sich gut von einem/r Kinder- und Jugendpsychiater:in behandeln zu lassen. 

wie können eltern unterstützen?

Neben einer professionellen diagnostischen Abklärung und Behandlung gibt es auch für Angehörige die Möglichkeit, ihre Kinder aktiv durch Ressourcenübungen zu unterstützen. Klare Regeln und Struktur innerhalb des Familienlebens geben betroffenen Kindern Halt und Sicherheit. Ebenso ist die Stärkung des Selbstwertes von Kindern mit ADHS sehr wichtig, da sie viel negatives Feedback von ihrem Umfeld bekommen.

beispiele
für ressourcen-übungen:

"Die Familienregeln"
Sie benötigen: ein Plakat, bunte Stifte, gemeinsame Zeit.
  • Nehmen Sie sich im Kreise der Familie ein paar Stunden gemeinsam Zeit, um Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Familienmitglieder zu besprechen.
  • Jedes Familienmitglied bekommt individuell Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, was es sich im gemeinsamen Alltag wünscht.
  • Gemeinsam wird dann überlegt, wer welche Aufgaben übernehmen kann und welche Regeln notwendig sind, damit es zu möglichst wenigen Konflikten kommt.
  • Die jeweiligen Aufgaben und Regeln werden dann gemeinsam auf ein Plakat geschrieben, das bunt und lustig gestaltet werden kann.
  • In einem regelmäßigen „Familienrat“ kann die Einhaltung der jeweiligen Regeln besprochen und die Aufgaben angepasst oder verändert werden. Wichtig hierbei: Nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen haben Aufgaben, Regeln und Grenzen, an die sie sich halten sollen.
"Das Erfolgstagebuch"
Sie benötigen: Notizbüchlein, bunte Stifte.

Um diese Ressourcenübung durchzuführen, benötigen Sie ein Notizbüchlein. Sie können ein Tagebuch kaufen, jedoch auch gemeinsam mit Ihrem Kind basteln


Verwenden Sie buntes Papier und binden Sie dieses mit Wollfäden oder einer Schnellheftklammer zu einem Büchlein. Lassen Sie Ihr Kind den Einband nach eigenen Wünschen gestalten.

  • Nehmen Sie sich möglichst jeden Abend Zeit, mit Ihrem Kind gemeinsam den vergangenen Tag zu besprechen. Lassen Sie Ihr Kind von allen Ereignissen erzählen, die es beschäftigen.
  • Versuchen Sie zusammen, den Fokus auf die schönen Erlebnisse und die Erfolge des Tages zu legen, auch wenn Ihr Kind zunächst meint, es hätte diese nicht gegeben. Fragen Sie geduldig nach, ohne Ihrem Kind die gewünschte Antwort in den Mund zu legen.
  • Schreiben Sie nun das Datum des Tages in das Notizbüchlein und lassen Sie Ihr Kind das freudige Erlebnis oder Gefühl hineinschreiben. Sollte Ihr Kind noch nicht schreiben können, kann es auch eine Zeichnung anfertigen. Wichtig ist, dass es selbst das Büchlein füllt.
  • Ziel der Übung ist es, sich regelmäßig gemeinsame Zeit zu nehmen und dem Kind Raum zu bieten, zu erzählen. Ebenso werden positive Erlebnisse fokussiert und festgehalten.
  • Das Glückstagebuch ist ein schönes Erinnerungsstück an gute Zeiten und kann immer wieder gemeinsam durchgesehen werden. Wenn von Kindern die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur negativ gesehen wird, kann es nützlich sein, derartige Denkmuster abzulegen.

buchtipp:

Im psychologischen Kinderbuchprojekt „Igelino“ wird pro Band je eine psychische Erkrankung kindgerecht und altersadäquat durch eine Bildergeschichte erklärt. Angehörige erhalten die wichtigsten Informationen über die psychische Störung und eine Anleitung, wie diese mit den Kindern besprochen werden kann. Ebenso enthält jedes Buch psychologische Tipps für Bezugspersonen und Ressourcenübungen, die gemeinsam mit dem betroffenen Kind durchgeführt werden können. 

 

Der Band "Igelino hat Hummeln im Bauch" hat ADHS zum Thema.

Cover des psychologischen Kinderbuchs "Igelino hat Hummeln im Bauch"