Sexualität & Aufklärung
22. Juli 2021
·
8 Minuten Lesezeit

Wie digitale Medien Körperbilder beeinflussen

Geschrieben von:
Alles klar?! Ein digitales Aufklärungsprojekt
Alles klar?! Ein digitales Aufklärungsprojekt
Artikelinfo:

Auf Social Media begegnen Kinder und Jugendliche einer Ideal- und Kunstwelt voller Filter und Inszenierung, die sie als real oder Wahrheit wahrnehmen. Das gezeigte Leben hat einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit sich selbst und das Selbstwertgefühl. 

Auf Social Media kommen Kinder und Jugendliche mit einer Welt in Berührung, die oft als Wahrheit oder reale Welt wahrgenommen wird. Das liegt daran, dass Kinder und Jugendliche sich darin bewegen – es ist ihre Lebenswelt. Das Problem daran ist, dass es sich jedoch um eine Ideal- und Kunstwelt mit einer selektiven Bilderauswahl voller Filtern und Darstellungen eines nahezu perfekten Lebens handelt, das beinahe zufällig zu passieren scheint. Die Akteur*innen darin leben nachhaltig, „gesund“, sind mental ausgeglichen und können sich alles leisten, ohne viel dafür tun zu müssen.

 

Es werden Bilder geschaffen, in denen Menschen in Situationen makellos dargestellt werden, wo niemand makellos ist, beispielsweise nach dem Aufstehen, wenn man gerade geweint hat oder nach einem langen Arbeitstag.

  • Sind Sie auch öfter auf Instagram?
  • Welchen Accounts folgen Sie? Und warum?

Wir wollen Sie mit den Reflexionsfragen einladen, über Ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle nachzudenken. So können Sie die Situation Ihres Kindes besser verstehen. Aber auch eigene, vielleicht einschränkende, Einstellungen und Haltungen hinterfragen. 

 

Wählen Sie einen ruhigen Moment an einem Ort, wo Sie sich ungestört fühlen. Nehmen Sie Zettel und Stift zur Hand. Notieren Sie Ihre Gedanken zu den Fragen.

Influencer*innen und ihre Botschaften

Botschaften der Bilder und derzeitige Schönheitsideale drehen sich um Fitness, Wohlbefinden, Ausgeglichenheit, Yoga, Wellness und den „natural look“. Bei Burschen geht es oft um Fitness und darum, muskulös zu sein. Manche Influencer*innen bekommen viel Geld für fragwürdige Produkte, die die Jugendlichen dann nachkaufen wollen, obwohl es oft sehr kostspielig ist. Manchmal verschulden sie sich auch deshalb. Oft geht es auf den Kanälen um Optik, Schminken, Schönheitstipps, dünn sein, sportlich sein und vermeintlich gesunde Ernährung. Wenn Jugendliche sich aus diesem Grund nur noch einseitig ernähren, kann das gesundheitliche Konsequenzen haben.

 

Die verzerrte Medienrealität wird bereits im Kinderzimmer vermittelt, durch Spielzeug, Bücher oder Filme, die darstellen, wie Mädchen oder Burschen sein und welche Rollen sie haben sollten. Daher ist es wichtig, als Eltern in Hinblick darauf achtsam zu sein. Auch als Vorbild prägen Eltern maßgeblich mit, wie Kinder ihren Selbstwert definieren und welche Schönheitsideale sie anstreben.

  • Was ist, Ihrer Meinung nach, typisch männlich und typisch weiblich?
  • Was erwarten Sie diesbezüglich von Ihrem Kind?

Wie wirkt Social Media auf Kinder und Jugendliche?

In der HBSC Studie für Kindergesundheit der WHO zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche immer früher unzufrieden mit dem eigenen Körper sind. Ist dies früher noch ab 15 Jahren messbar geworden, ist das Alter mittlerweile von 13 auf 11 Jahre gesunken. Die Hypothese dazu ist, dass dies mit der Verbreitung von Social Media zusammenhängt. Dort wird man permanent mit den „perfekten“ Körpern von Stars, Influencer*innen, aber auch von Freund*innen konfrontiert. Kinder und Jugendliche vergleichen sich mit Gleichaltrigen in der Schule, aber auch online über Posts, Fotos, Videos, TV-Shows oder Schminktutorials. Manchmal entwickeln sie sogar Wünsche in Richtung Schönheitsoperation. Ein Problem dabei ist, dass das eigene Körperbild in diesem Alter noch nicht gefestigt ist, weshalb sie beeinflussbarer sind als Erwachsene, die sich dem Einfluss natürlich auch nicht ganz entziehen können.

 

Es werden häufig immer dieselben Körperschemata gezeigt – auch aufgrund der Algorithmen der Apps, die den Fokus darauf lenken, was man sich anschaut und wofür man sich interessiert. Wenn man häufig die gleichen Inhalte sieht, denkt man irgendwann, dass dies die Realität ist und alle so aussehen sollten. Vor allem Mädchen setzen sich früh mit dem eigenen Körper(-gewicht) auseinander. Dreiviertel derer, die sich zu dick fühlen, haben eigentlich eine ganz normale Figur. Aber auch Burschen sind betroffen. Bei ihnen geht es tendenziell eher um Muskelaufbau, trainiert sein und Fitnesskult.

 

Die Jugendliche wissen dabei gleichzeitig, dass es sich um bearbeitete und inszenierte Bilder handelt und dass durch eine andere Körperhaltung, z.B. das Kippen der Hüfte, gleich der ganze Körper anders aussehen kann. Trotzdem machen die Bilder Eindruck und das dort dargestellte Leben scheint erstrebenswert und hat einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit sich selbst. Prinzipiell ist es keine neue Entwicklung, Idolen nachzueifern und so werden zu wollen wie sie. Heutzutage hat dies jedoch aufgrund der Unmenge an Bildern ein anderes Ausmaß.

  • Fühle ich mich wohl in meinem Körper? Denke ich, ich müsste dünner/ muskulöser sein?
  • Was lebe ich meinen Kindern vor? Unternehme ich viel, um mein Aussehen zu optimieren?

Selbstdarstellung auf Social Media und die Folgen

Jugendliche stellen sich im Gegensatz zu Influencer*innen heute online viel weniger dar, als es z.B. in den Anfängen von Facebook noch üblich war. Sie sind viel zurückhaltender, überlegen sich genauer, was sie online stellen und haben weniger bis gar keine Bilder von sich selber auf ihren Profilen und Accounts. Es ist nicht ganz klar, ob dies auf einen reinen Kompetenzzuwachs in Bezug auf Sicherheit im Netz im Laufe der Jahre zurückzuführen ist oder ob es auch mit Angst vor Hass im Netz begründet werden kann. Beispielsweise werden besonders auf TikTok sehr viele negative Kommentare geschrieben. Safer Internet berichtet, dass einige Jugendliche angeben, aus Angst davor dort nichts mehr zu posten.


Ganz allgemein wird das Internet von den Jugendlichen eher passiv und weniger aktiv verwendet.  Trotzdem ist es schön zu sehen, dass die Jugendlichen das Internet kompetenter und bewusster nutzen und viel mehr wissen, was sie tun können und was nicht.

Wie kann ich mein Kind unterstützen, ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln und die Bilder auf Social Media realistisch einzuschätzen?

  • Prinzipiell geht es darum, dass Eltern den Selbstwert ihrer Kinder stärken, eine sichere Umgebung bieten, Gegenbewegungen aufzeigen und Themen besprechen, ohne dabei zu werten.

  • Bei Social Media gibt es oft eine dauerhafte Konzentration auf die äußeren Merkmale. Es wird impliziert, dass man ein glücklicheres, besseres Leben hätte und Erfolg und Anerkennung bekommt, wenn man den vorgegebenen Schönheitsidealen entspricht.

  • Daher spielt es eine Rolle, welche Körperbilder Kinder sehen. Wenn das Kind zB einer/m bestimmten Influencer*in folgt und so sein möchte wie sie/er, ist es wichtig, mit dem Kind gemeinsam anzuschauen/zu reflektieren, warum diese Person so interessant ist. Dabei ist es sehr wichtig darauf zu achten, die Person nicht zu kritisieren. Sobald Kinder merken, dass Eltern die „angebetete“ Person kritisieren, nehmen sie die Eltern nicht mehr ernst.

Zeigen
Sie Interesse

an der Lebenswelt Ihres

Kindes!

  • Fragen, die Sie stellen können:

  • Wenn man diese Influencerin so sieht, möchten dann auch andere so schlank werden? Möchtest du auch so schlank werden?

  • Warum folgst du diesem Influencer? Was interessiert dich an ihm? Warum hättest du gerne dieses Leben?

  • Sie können Ihrem Kind rückmelden, wenn Sie Dinge anders sehen. Fragen Sie Ihr Kind am besten vorher, ob es wissen möchte, wie Sie das sehen/ was das mit Ihnen macht. Dann können Sie zB rückmelden, dass Sie den Eindruck haben, dass die Person viele Filter benutzt. Dass Sie nicht so aussehen, wenn Sie in der Früh aufstehen. Dass das bei Ihnen Stress auslöst und Sie zB auch den Eindruck haben, dass das bei Ihrem Kind Stress auslöst und ob das so ist.

Überprüfen Sie

gemeinsam Informationen!

  • Überprüfen Sie mit Ihrem Kind von klein auf immer wieder neue Trends. Schauen Sie zusammen, wer wirklich Ahnung hat und wie man das erkennt. So lernt ihr Kind Informationen im Internet kritisch zu bewerten.

  • Gerade auch im Bereich Gesundheit gibt es viele Informationen, die nicht korrekt und auch nicht gesundheitsförderlich sind. Es werden beispielsweise fragwürdige Produkte verkauft oder einseitige Ernährungsweisen propagiert. Auch hier ist es wichtig, genau hinzuschauen und vermeintliche Gesundheitstipps zu hinterfragen.

  • Gefährlich können auch Challenges sein, die immer wieder aufkommen und zu bestimmten Verhaltensweisen auffordern, beispielsweise die "Blue Whale Challenge", wo es um selbstverletzendes Verhalten geht. Auch Bewegungen wie "Pro-Ana" oder "Pro-Mia", wo Magersucht oder Ess-Brechsucht glorifiziert werden, sollten sehr kritisch hinterfragt werden.

  • Überprüfen Sie gemeinsam mit ihrem Kind, welche Accounts hilfreich sind, Spaß machen und bereichern und welche Stress erzeugen und ihrem Kind das Gefühl geben: So toll bin ich nicht. Wenn letzteres der Fall ist, hilft es, dem Account zu entfolgen. Durch das bewusste Festlegen, was einem guttut und was nicht, können auch die vielen positiven Einflüsse von Social Media besser genutzt werden.

Es gibt auf Social Media einige Accounts und Bewegungen, die zB Wissen vermitteln, gesellschaftliche Konstrukte kritisch hinterfragen oder Gegenbewegungen zu den gängigen Schönheitsidealen darstellen. Auch wenn man Gleichgesinnte sucht, hat es einen enormen Vorteil, dass man sich von überall auf der Welt zusammenschließen kann. Bei Jugendlichen, die zB transident, homosexuell oder bisexuell sind, kann gerade in der Pubertät das Finden von Menschen, die dieselbe sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität haben, eine enorme Entlastung und Unterstützung bringen.

 

Eine sehr bekannte Bewegung in Bezug auf Körperbilder, ist die Bodypositivity-Bewegung. Hier geht es darum, dass jeder Körper schön ist, so wie er ist. Manche Jugendliche tun sich schwer damit, weil sie sich eben manchmal nicht schön finden. Ist dies der Fall, ist es erstmal wichtiger, sich nicht einschränken zu lassen, trotzdem rauszugehen und etwas Schönes anzuziehen. Generell zu überlegen, was tut mir gut, damit ich mich besser fühle? Dass man sich selber nicht schön finden muss und trotzdem etwas Gutes für sich tut, heißt von dann eher #bodyneutrality.

 

In diesem Kontext ist es auch hilfreich von klein an gemeinsam Bücher anzuschauen, wo Menschen auf unterschiedliche Weise dargestellt werden und wo klar wird, dass es viele verschiedene Körper gibt und alle ok und schön sind.

TIPP:

Unterstützen Sie die Individualität Ihres Kindes und heben Sie Positives hervor! Sowohl vom Charakter her als auch von der Optik! Sagen Sie Ihrem Kind, was sie an ihm mögen. Fragen Sie es, was es an sich mag. Bedenken Sie dabei, dass es das Perfekte nicht gibt. Macken sind charakteristisch für einen Menschen und unterstreichen die Individualität - also das, was einen besonders macht.

TIPP:

Ermutigen Sie Ihr Kind, sich nicht mit anderen, sondern mit sich selbst zu vergleichen. Fragen Sie: Was ist dir wichtig? Was macht dich aus? Wie kannst du dich einbringen? Wo willst du hin? Was ist im Bereich des Möglichen?

TIPP:

Eine Idee ist auch, Fähigkeiten, positive Sätze und was man sonst an sich mag, auf Post it‘s zu schreiben und an den Spiegel zu hängen. So erinnert man sich jedes Mal daran, wenn man in den Spiegel schaut. Sich laut vor dem Spiegel zu sagen, was man an sich mag, kann ebenfalls gut helfen - auch, wenn man sich dabei zuerst komisch vorkommt.

TIPP:

Selbstwertgefühl stärken. Vermitteln Sie Ihren Kindern, dass sie super und schön sind! Es ist voll ok, dass man manche Sachen an sich nicht mag und auch, dass man mal findet „Ich seh‘ heute furchtbar aus“. Von der Grundstruktur sollte ihr Kind aber wissen: prinzipiell bin ich ok wie ich bin! Ich bin in Ordnung!

Eltern als Vorbilder

Wichtig: Damit Ihre Botschaften auch bei Ihren Kindern ankommen, müssen Sie diese auch als Vorbild vorleben. Partner*innen sollten sich gegenseitig vermitteln, dass sie schön sind! Sagen Väter zB zu den Müttern, sie seien zu dick, macht das sehr viel Eindruck! Eltern sind starke Vorbilder und innerhalb der Familien ist ein guter Umgang essentiell.

 

Das ist natürlich nicht immer einfach! Auch wir als Erwachsene leben ja in derselben Welt – allerdings können wir Dinge anders einschätzen und überdenken.

 

Gut zu wissen: Menschen mit einer positiven und realistischen Einschätzung von sich selbst, gehen besser mit sich um und achten mehr auf die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen. Hat man das nicht gelernt, kann es passieren, dass man sich mehr auf negative Aspekte konzentriert, eigene Gefühle und Bedürfnisse wegdrängt. So entwickelt man eher eine Essstörung oder andere Strategien, die kurzfristig entlasten, aber langfristig schädlich sind. Also, trauen Sie sich, freundlich mit sich selbst zu sein! Sie tun damit sich, Ihrer Familie und Ihren Kindern etwas Gutes!

 

In direktem Zusammenhang steht hier auch der Umgang mit Gefühlen. Wenn Kinder und Jugendliche mit ihren Gefühlen nicht umgehen können, auch weil sie ihre Gefühle nicht benennen können, werten sie sich manchmal sehr stark ab und gehen mit sich selbst schlecht um. Besonders problematisch daran ist, dass man die Sachen, die man sich selber oft sagt, irgendwann auch glaubt.

Wie
kann man sein KINd unterstützen?

  • Helfen Sie Ihren Kindern von klein auf, ihre Gefühle zu benennen.

  • Nehmen Sie die Empfindungen, Gefühle und Grenzen Ihrers Kindes ernst.

  • Zeigen Sie echtes Interesse.

  • Unterstützen Sie Ihr Kind, wenn es Hilfe braucht.

  • Was brauche ich, um mich verstanden und unterstützt zu fühlen? 
  • Wie gehe ich mit Stress und Ärger um?

HAben Sie noch fragen?

Unsere Expert*innen sind für Sie da und nehmen sich Zeit für Ihre individuelle Situation. Vereinbaren Sie jetzt gleich einen Gesprächstermin über unseren Online-Kalender. 

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